Will Tremper - "Große Klappe" - Meine Filmjahre (aus 1997/98)
Wie damals in Deutschland die Filme "gemacht" wurden und was nicht in den Filmheftchen und auf den Filmplakaten geschrieben stand. Auch vom Weg von der Ideenfindung über das Drehbuch bis zum ersten Drehtag wird viel aus der Schule geplaudert. Und sebstverständlich kommen bei Will Tremper auch die Filmsternchen - auch die männlichen - nicht zu kurz. Die erste Seite beginnt hier .....
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MEIN ZWEITER FILM: "DIE ENDLOSE NACHT"
Wie 1961 mein zweiter FIlm entstand .......
Eine Filmförderung, gar eine halbstaatliche, wie wir sie heute haben, gab es 1961 noch nicht, aber eine staatliche des Bonner Innenministeriums.
Wer weiß, ob ich das Gewicht meiner Tätigkeit nicht wieder mehr auf die Stern-Schreiberei verlegt hätte, wenn mir von Bonn nicht im Juni diese Prämie von 200.000 DM für "Flucht nach Berlin", zahlbar am ersten Drehtag eines neuen Films, verliehen worden wäre.
So aber spukten mir dauernd Filmideen im Kopf herum. Ich sprang zu den unchristlichsten Zeiten aus dem Bett und stürzte mich auf die neue IBM mit Kugelkopf, um Unmengen von Papier zu verschandeln, und verwandelte schon beim Frühstück wieder die Morgenzeitungen in lauter Papierschnipsel, entdeckte in jeder noch so abstrusen Meldung eine originelle Idee und, bevor ich sie niederschreiben konnte, immer noch eine bessere.
Kurz, es muß die kreativste Zeit meines Lebens gewesen sein. Die Film-Menschen rissen sich um mich, trotz der Kassenpleite von Flucht nach Berlin, und jeden Tag schien die Sonne.
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Meine beiden Kinder und lauter erwachsene Störenfriede
Unter meinem Schreibtisch krochen zwei niedliche Kinderchen auf dem Teppich herum, meine anderthalb Jahre alte Tochter Tina-Louise und mein gerade mal ein halbes Jahr alter Sohn Philip, die mich bei der Arbeit weniger störten als ihre Mutter Karin, wenn sie dauernd nach unserer Brut gucken kam und sie schließlich in den Garten verfrachtete.
Und dauernd lümmelten sich auch alle möglichen erwachsenen Störenfriede auf dem grünen Sofa herum, alte und neue Freunde, neugierige Besucher aus Westdeutschland, hilfesuchende Flüchtlinge aus der DDR, die wir auch im 12. Jahr ihrer Existenz nur »die Zone« nannten.
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Mein Traumhaus im Gadebuscher Weg 5 in Dahlem
Wir lebten, seit ich mein Traumhaus im Gadebuscher Weg 5 in Dahlem gekauft hatte, nun fest in Berlin und gedachten, uns von keiner Krise vertreiben zu lassen. Damals ist mir das gar nicht so aufgefallen, wie jeder, der im »Auge des Taifuns« sitzt, die Welt für das ruhigste Plätzchen hält, aber der Freundeskreis, der sich im Handumdrehen um uns versammelte, bildete so etwas wie eine verschworene Gemeinschaft von Frontstadt-Berlinern, die nirgendwo anders leben wollten.
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Unser Freundeskreis von Frontstadt-Berlinern
Da war Karins riesengroßer Kreis, allen voran Axel Springer, der sich angewöhnt hatte, immer am Mittwochnachmittag »eben mal reinzuschauen« und eine Stulle zu essen, seine vor Betriebsamkeit berstende Freundin Hulda Seidewinkel, die in allen Ehren bald auch meine wurde, wie sein Architekt Gert Schöppenthau mit einer blonden Stewardeß.
Da gab es George und Maud Peters, der Russe und die Schwedin, die zu früh nach Paris entschwanden - George untertitelte in der Friedrichstraße ausländische Filme und machte nebenbei riskante Geschäfte mit Raoul Katz aus Paris, der uns Helga Viermann, die »deutsche Garbo«, entführte.
Es gab den Dr. Rudi Röttgers vom Breitenbachplatz mit seiner schönen Österreicherin Maria Holst, die sämtlichen Wien-Filmen Glanz verlieh.
Es schaute regelmäßig unsere liebe Freundin Liz Hiller herein, die ich ohne Zögern Deutschlands beste Modejournalistin nennen würde. Und Harry Meyen mit seiner Frau Anneliese Römer, Paul und Ursula Hubschmid, Heinz Zellermayer mit - mit wem war er damals verheiratet?
Und Hanno Wiechmann mit seiner großen Liebe, jener Babsi, die später dann doch den merkwürdigen Dr. Jovy heiratete.
Was haben wir alles an Romanzen und Enttäuschungen hautnah miterlebt! Marga Palmer aus Frankfurt flog grundsätzlich ohne ihren australischen Dermatologen ein, wie Bigi Lampe ohne ihren Ehemann Ottmar von Hettlage & Lampe in Kiel.
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Es gab auch eiserne Paare und einen Scheidungskrieg
Aber es gab auch eiserne Paare, wie Klaus und Christine Viertel, Hubertus und Renate von Weyrauch, die Hamburger Margot und Walter Schaake, die Frankfurter Ruprecht und Heli Hopfen oder Wittigo und Burgel von Einsiedel.
Während ich auf einen Einzelgänger wie Piet Schaepman, Chef der niederländischen Militärmission, viel zu wenig achtete: Als er Botschafter in Singapur und dann in Khartum wurde, nahm er meine Frau und die Kinder mit, steckte die Sieben- und Achtjährigen sofort in Internate und erlebte wenig später einen Scheidungskrieg mit Karin, der glatte zwanzig Jahre dauerte.
Ein paar Storys aus meinem Freundeskreis
Mit meinem Freundeskreis gab's da weniger Probleme: Wolfgang Menge verlor auf seiner Chinareise zwar alle Haare, blieb mir aber bis heute gewogen.
Wenzel Lüdecke lud mich regelmäßig in sein grandioses neues Haus am Hundekehlensee ein, um neue amerikanische Filme vorzuführen, und erzählte mir von seinen menschlichen und geschäftlichen Enttäuschungen. »Olle Ihmchen«, der Uraltfreund Heinz Krüger aus Kriegszeiten, fremdelte ein bißchen, wenn ich ihn in meine »dolle Villa« einlud, begleitete mich aber tapfer in jede Kinovorstellung - bis er im Juli 1961 plötzlich nicht erschien, sich überhaupt nicht mehr meldete, aber sieben Jahre später auf einmal wieder anrief: »Wo steckst'n du? Ick steh hier vor dem Astor und der Hauptfilm beginnt gleich!«
Er war von den Russen als »amerikanskij Spion« verhaftet und sieben Jahre lang ins Zuchthaus Brandenburg gesteckt worden. Das hat er nicht nur überlebt, das hat seinen Zynismus sogar noch verschärft: »
Als Bürohengst im Haus der deutsch-sowjetischen Freundschaft ha'ck tausend Ostmark verdient«, sagte er bei unserem Wiedersehen, »un' nu' halte ick Vorträje über die DDR-Justiz fürs gesamtdeutsche Ministerium un' krieje zwee Mille - West!«
Der arme Hund hat sogar ein reizendes Mädchen gefunden, das ihn pflegte, als er sich ein paar Jahre später hinlegte und ohne großes Aufheben, nicht mal 50 Jahre alt, aus dieser Welt verschied.
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Die Storys nehmen kein Ende
Wie ich meine besten - bis heute: besten! - Freunde Rolf Hädrich und Georg Marischka kennengelernt habe, daran kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Rolf meint, es könnte Frau Staudte gewesen sein, die uns zusammenführte:
Frau Staudte Nr. 3 oder 4 war damals Ingmar Zeissberg, die Schauspielerin, und Wolfgang Staudte war im Gadebuscher Weg mein Nachbar von der anderen Straßenseite.
Auch Georg (»Schurli«) Marischka, der jüngere Halbbruder von Franz (»Zwetschi«) Marischka - beides Söhne der Wiener Bühnen- und Filmgröße Hubert Marischka - meint, es könnte eine Frau gewesen sein: nicht gerade seine eigene, die Filmschauspielerin Ingeborg Schöner, aber seine Nebenfrau, die Filmschauspielerin Wera Frydtberg.
Die Geschichte von »Schurli«
Der »Schurli« wird auf seine alten Tage als Schauspieler verheizt: Er, der als junger Soldat zum Tod verurteilt war, mußte wegen seiner heutigen Leibesfülle in der Kir-Royal-Serie den Franz-Josef Strauß und in Schtonk! den Göring spielen, er, der ein Wiener Cafehausbesucher ist, wie er im Buche steht, muß in der Berg-Doktor-Serie in der frischen Alpenluft herumkraxeln.
Dabei ist er ein begnadeter Regisseur, ehemaliger Regieassistent von Willi Forst, mit einer ganzen Reihe großer, erfolgreicher Filme auf der Latte: Hanussen, Axel Munthe, Mit Himbeergeist geht alles besser, die beiden Kaviar-Filme nach Simmel, bei denen er seinen Namen zurückzog, zwei Karl May Produktionen: Die Sklavenkarawane und Das Vermächtnis der Inka, wie auch zahlreiche Fernsehinszenierungen; die beste hieß Das Streichquartett und wird jahraus, jahrein zu Silvester wiederholt.
Ein Bursche nach meinem Geschmack, ein Napoleon-Kenner und -Sammler, der Anfang der siebziger Jahre ganz West-Berlin verrückt machte, als sein Auto gestohlen wurde, in dem sich eine Locke von Napoleon befand. Ein Schatz, mein Schurli.
Rolf war Oberspielleiter beim Hessischen Fernsehen, als ich ihn zum ersten Mal mit nach Hause nahm und dachte, ich wäre auf einen Geisteskranken hereingefallen, weil er sich sofort auf das kleine grüne Sofa warf und, während wir redeten, stundenlang steif und starr aus dem Fenster schaute, hinüber in Staudtes Garten, um urplötzlich aufzuspringen und zu verschwinden - wenn Ingmar ein weißes Taschentuch hißte, was bedeuten sollte: Staudte ist weg.
Was habe ich, schon in diesem ersten Sommer, mit Rolf gelacht und erlebt! Er benutzte jede Gelegenheit, mit Frau Staudte zusammen zu sein, und heiratete sie auf der Stelle, als Staudte die Pelzmäntel Ingmars eines Tages zusammenpackte und an die Huren vom Rififi in der Augsburger Straße verschenkte.
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Der 10. Mann wurde von Heinz Galinski unterminiert
Nebenan, im Theater in der Nürnberger Staße, inszenierte Rolf das New Yorker Theaterstück "Der 10. Mann" von Paddy Chayefsky, in Vertretung von Klingenberg, dem Züricher Schauspielhaus-Intendanten von damals, der kalte Füße bekommen hatte, denn die Berliner Jüdische Gemeinde mit ihrem Vorsitzenden Heinz Galinski empörte sich über die »Dreistigkeit« der Deutschen, 1961 bereits wieder ein »Judenstück« aufführen zu wollen.
»Das steht Ihnen nicht zu!« hörte ich Galinski kreischen, als ich zufällig in eine der vielen Debatten darüber geriet. Aber mein Rolf blieb unerschütterlich dabei, diese »Minje« zu inszenieren, obwohl er von jüdischen Gebräuchen keine Ahnung hatte, also etwa, daß ein Sterbegottesdienst die Anwesenheit von mindestens zehn Männern verlangt und der Rabbi nur neun auftreiben kann.
Darüber entstehen Streitigkeiten, wie sie nur bei orthodoxen Juden möglich sind, bis sogar ein Polizist von der Straße hereinkommt und fragt: »Was geht hier vor?« Er ist höchst willkommen, denn er ist Jude, der 10. Mann.
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Paddy Chayefsky stutzt Heinz Galinski zusammen
Paddy Chayefsky kam aus New York angeflogen und hatte nicht die geringsten Bedenken gegen eine deutsche Aufführung seines Stücks.
Ich bewunderte Chayefsky als Autor des Filmes "Marty", für den er 1956 einen Oscar bekommen hatte (wie 1957 für "Bachelor Party" und 1976 für "Network") und nun auch für seinen gesunden Menschenverstand, denn als Galinski ihm vorwarf, daß er »als Jude« den Deutschen die Erlaubnis gegeben hätte, seinen 10. Mann zu spielen, antwortete Paddy:
»Warum nicht? Die Deutsche Mark ist eine erstklassige Währung! Und«, hatte er hinzugesetzt, »was geht Sie das an, Mann? Woher beziehen Sie das Feedback für ihre Geschäfte unter den Tätern? Doch von den Gebeinen der sechs Millionen ermordeten Juden!«
Ich traute meinen Ohren nicht und hielt Paddy Chayefsky für einen jener Zionisten, die nur Verachtung für die nach dem Krieg in Deutschland wieder ansässig gewordenen Juden übrig haben, weil sie nicht nach Israel gekommen sind.
Chayefsky war gar kein Zionist, eher ein Pragmatiker
Aber als ich Paddy Chayefsky dann immer besser kennenlernte, fand ich heraus, daß er weder Zionist noch ausgesprochen deutschfreundlich war, sondern nur ein überwältigend extremer Pragmatiker, der sich als junger Gl der US-Army schon als Katholik ausgegeben hatte, um an den Messen teilzunehmen, was ihm bequemer schien, als den Kasernenboden zu schrubben.
Auch ich beschloß, Pragmatiker zu werden und lehnte es glatt ab, mit Paddy ins Schiffbauerdamm-Theater zu fahren, um mir ein Stück von Brecht anzugucken.
Franz Marischka, der Halbbruder Georgs, erbarmte sich seiner, aber bewundert hat Paddy mich für meine Absage: Ich hatte schnell seine Schwäche herausgefunden und ihn angelogen, daß ich mir lieber »die neue Stripperin im Club 13« ansehen wollte.
Noch 18 Jahre später, als wir im Bungalow von Faye Dunaway im Beverly Hills Hotel seine Oscar-Verleihung für Network feierten, ließ er alle wissen, daß ich der größte Kenner des Berliner Nachtlebens sei, mit dem er »jede Nacht« die Berliner Striptease-Schuppen unsicher gemacht hätte. Ich war genau eine Nacht mit Paddy unterwegs gewesen.
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Neue Ideen für einen neuen Film
Rolfs Inszenierung des 10. Mannes mit Michael Degen in der Hauptrolle und unserem lieben Max Strassberg, wurde trotz der Intervention der Jüdischen Gemeinde und einiger kleiner Demonstrationen vor dem Theater ein voller Erfolg.
Auch ich fühlte mich nun zu einem neuen Film inspiriert und rief, nach gewohnter Manier, einen kleinen Stab zusammen, um eine Persiflage mit dem Titel "Die Russen kommen!" zu drehen.
Ich hatte die schrecklichen ersten Nachkriegs Jahre überlebt, meine Erfahrung mit einer NKWD-Einzelzelle gemacht, hatte die elf Monate dauernde Blockade West-Berlins durch die Russen glänzend überstanden, sogar einen ausgesprochen antikommunistischen Film gedreht - und konnte nur lachen über die »Miesmacher«, die »Angsthasen« und »Leisetreter«, die seit dem bekannten Chruschtschow-Ultimatum das Ende West-Berlins kommen sahen.
Mein Ansinnen : die Moral der Berliner
Ich wollte, nunmehr ganz bewußt, die Moral der Berliner stärken, indem ich, nach Lubitsch-Art, die Russen durch den Kakao zog. Angeregt von unserem Freund Karl-Heinz Pepper, der mit der Idee eines gewaltigen Einkaufszentrums an der Gedächtniskirche hausieren ging, wollte ich in der riesigen Baugrube des Europa-Centers zu drehen beginnen.
Pepper selbst, der am Anfang seiner Nachkriegskarriere nicht nur das Filmsternchen Babsy Reckewell geheiratet, sondern auch mehrere Filme finanziert hatte, kam für das Unternehmen nicht in Frage; er brauchte jeden Pfennig selbst.
Aber Otto Scheuermann, mein Bankier, der von den angekündigten 200.000 Mark aus Bonn tief beeindruckt war und schon meinen Hauskauf finanziert hatte, fühlte sich ermuntert. »Sie machen das schon, Tremper!« bestärkte er mich in meinem Vorhaben. »Und wenn alle Stricke reißen, bin ich ja auch noch da!«
Also es geht los : "Die Russen kommen!"
So begann ich an einem Montagmorgen Die Russen kommen! zu drehen, und ich hatte gleich ein Riesenglück: Willy Brandt, unser Regierender, sollte mit der Frühmaschine aus Washington eintreffen, rechtzeitig zum Richtfest des Europa-Centers, und ich hatte mich etwa 50, 60 Meter entfernt, genau gegenüber dem Rednerpult, mit meinem Kameramann aufgebaut, bewaffnet mit einem Teleobjektiv, das die Nr. 1 ganz nahe heranbringen würde.
Willy Brandt kam auch, trat ans Pult und begann seine Rede zu halten. Der Mann war schon immer ein langsamer Redner mit entsetzlich vielen Pausen. An diesem Vormittag schien er mir noch langsamer zu formulieren, die Pausen wollten gar kein Ende nehmen. Ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: Hoffentlich reicht die 120-Meter-Spule in der Arriflex.
Sie reichte, und wir bekamen das Material schon am Abend bei Geyer in der Kopieranstalt zu sehen. Es war sensationell! Der Regierende Bürgermeister wirkte, von nahem betrachtet, völlig besoffen, hatte auf dem langen Rückflug wohl ein paar Schnäpse zu viel zu sich genommen und schwankte bedrohlich hin und her.
Wenn nicht die sorgende Hand Egon Bahrs gewesen wäre, die ihn von hinten immer wieder diskret am Rocksaum ergriff, er wäre glatt in die Baugrube gestürzt. Was für ein toller Anfang für meinen satirischen Film!
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Unsere Gartenparty nach Tag 6 nach Drehbeginn
Sechs Tage hatte ich schon heruntergekurbelt, lauter Berliner Schnittmaterial, wie man die Füllsel zwischen den Spielszenen nennt, und an jenem Sonntag hatten sich ungewöhnlich viele Besucher in unserem Garten versammelt.
Denn Horst Buchholz hatte versprochen, Billy Wilder mitzubringen, der in der Stadt war und seinen - ebenfalls satirischen - Berlin-Film "Eins, zwei, drei" drehte. Es wurde stundenlang, auf Teufel komm raus, wieder einmal Crocket gespielt, die Sonne schien, ein leichtes Lüftchen wehte durch die Bäume.
Mein alter Poldi Waraschitz, der sich seit meiner dritten Hochzeit angewöhnt hatte, bei uns zu wohnen, wenn er in Berlin war, und Butler zu spielen, servierte pausenlos Kaffee und Tee. Berge von Kuchen wurden verschlungen, und immer neue Freunde parkten vor dem Haus und brachten ihrerseits Freunde mit.
Im Eßzimmer saß ganz allein Rudolf Schündler, der Schauspieler und Regisseur, und schrieb ein Drehbuch um, für einen Film, den er am Montag beginnen sollte.
In der Hollywood-Schaukel, die uns irgend jemand zur Hochzeit geschenkt hatte, lag die wohlgerundete blonde Gisela, eine Freundin von Ricci, dem Barbesitzer, und schlief in all dem Trubel um sie herum ihren Samstagabend-Rausch aus.
Und am offenen Fenster meines Arbeitszimmers saß ich mit der schönen Wienerin Senta Berger, die Renate Ewert mitgebracht hatte, und hörte mir ihre neueste Affäre mit einem jungen Arzt an, wobei sie hungrig wegguckte, wenn ich mir von Poldie ein neues Stück Erdbeertorte »mit Schlag« auftischen ließ.
»Mein Herz rast, wenn ich nur an ihn denke!« flüsterte Senta und legte beide Hände auf ihren wogenden Busen. Den jungen Arzt, dessen Name sie allerdings auf keinen Fall verraten wollte, hat sie bald darauf geheiratet: Dr. Michael Verhoeven, der dann selber Filme zu machen begann und mit dem sie heute noch glücklich zu sein scheint.
13. August 1961 : Unglaublich, die Russen kommen wirklich
Nichts, aber auch gar nichts sonst, deutete auf ein bevorstehendes »großes Ereignis« hin. Es war ein freundlicher, geselliger Sonntagnachmittag mit neuen und alten Freunden, dem Geruch von Kiefern, Sentas Sonnenöl und frischgekochtem Kaffee in der Luft.
Bis das Telefon neben mir klingelte. »Seid doch mal'n Augenblick still!« mußte ich Georg Marischka und Bigi Lampe zurufen, die sich laut mit Franz Marischka und Renate Ewert um einen Crocketball stritten, denn erst hörte ich nur eine aufgeregte Stimme am Telefon, ohne ein Wort zu verstehen. Dann erkannte ich die Stimme von Peter Schünemann aus München, die leicht hysterisch rief:
»Ich sagte, macht euch keine Sorgen! Wir haben das Kinderzimmer freigemacht - da könnt ihr erstmal schlafen! Und für eure beiden Kinder ist auch gesorgt .«
»Moment mal«, unterbrach ich ihn. »Wovon redest du eigentlich?« Und meiner gerade vorbeirennenden Frau rief ich nach: »Wir schlafen heute nacht in Schünemanns Kinderzimmer!« Karin begriff wohl auch nicht, denn sie rief nur zurück: »Seit wann hat der Kinder?«
Indessen Schünemann schon weitersprudelte: »Ja - was - weißt du's denn noch nicht? Sie bauen gerade eine Mauer durch Berlin, quer durch! Ich habe schon x Anrufe bekommen! Schalte doch mal das Fernsehen ein! Mit Berlin geht's zu Ende! Hoffentlich bekommt ihr noch einen Platz auf der Panam .«
Noch war mir zum Scherzen zumute
Ich scherzte: »Wirklich?« und rief über die Schulter den anderen zu: »Mit Berlin geht's zu Ende, Leute! München ruft gerade an - sie bauen eine Mauer durch Berlin!« Begriffsstutziges »Was? - Wie?« von den Crocket-Spielern, aber keiner hörte auf zu spielen.
Ich schaltete das Fernsehen ein und rückte den Apparat auf seinem Rolltisch ans offene, tiefliegende Fenster des Arbeitszimmers. Damals gab es nur zwei Kanäle in Berlin, die ARD und das DDR-Fernsehen, das geplante zweite, sogenannte Adenauer-Fernsehen war gerade vom Bundesverfassungsgericht verboten worden.
Nun hörten sie auf zu spielen, traten näher und bildeten einen Halbkreis vor dem Fernseher, wo auf beiden Kanälen fast die gleichen Bilder zu sehen waren, nur mit anderen Kommentaren und aus anderen Perspektiven: martialisch aussehende, finster blickende »Betriebskampfgruppen« in blauem Drillich hinter (vor) Stacheldrahtverhauen, Vopos mit Schießgewehren, Schäferhunden an der Leine und Fernrohren vor den Augen, Arbeiter, die handliche Betonblöcke von LKWs luden, usw.
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Der Ostsender faselte von einem »demokratischen Schutzwall«
Keinem von uns wurde bei diesem Anblick mulmig zumute, wie dem Schünemann in München. Wir lachten vereinzelt sogar über den Ostsprecher, der von einem »demokratischen Schutzwall« faselte, und schüttelten den Kopf über den SFB-Reporter, der von einer »Schandmauer« entlang der Sektoren- und Zonengrenze sprach.
Nachdenklich machte uns erst der Anblick von englischen Truppen, die das Sowjet-Ehrenmal auf der Ost-West-Achse und gleich die ganze Straße vor dem Brandenburger Tor absperrten.
Es wurde Ernst mit den ankommenden Russen
Unsere Gäste wurden trotzdem immer neugieriger und verdünnisierten sich grüppchenweise, während ein zweiter Anruf mich schon wieder am Telefon festhielt. Mein Produktionsleiter Hans Stani(slaw) erzählte, er hätte gerade mit Willy Egger, dem Herstellungsleiter Billy Wilders, telefoniert und gehört, daß die ihren Film abbrechen und vielleicht in Geiselgasteig weiterdrehen würden, denn die noch am Brandenburger Tor zu drehenden Szenen wären nun im Eimer.
Und da fingen nun meine ersten Zweifel an, ob ich "Die Russen kommen!" überhaupt noch weiterdrehen könnte. Auf jeden Fall sagte ich dem Stani, daß er die für Montagmorgen geplanten Szenen mit Wolfgang Neuss streichen und die ganze Truppe erstmal ans russische Ehrendenkmal bestellen sollte.
Der Gedanke, daß die wirklich mehr als hundertfünfzig Grenzkilometer mit einer Mauer befestigen wollten, kam mir immer noch absurd vor.
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Mir kamen jetzt echte Zweifel an meiner Story auf
Und wenn, wie sollte ich das in mein noch gar nicht fertiges Drehbuch verarbeiten? Meine Idee waren ein paar betrunkene russische Soldaten gewesen, die sich über einen abgelegenen Zehlendorfer Grenzübergang nach West-Berlin verirren und lärmend und um sich schießend in eine Gartenparty geraten, wo sie die wahren Gefühle der Frontstädter durch ihr plötzliches, unmotiviertes Erscheinen entlarven, Entsetzen verbreiten und Widerstand hervorrufen, aber ein paar großmäulige »Kalte Krieger« auch zu heuchlerischem Anpassen verleiten, kommentiert alles von einem zufällig anwesenden Kabarettisten, dem Neuss.
Ich wurde von neuen, entsetzlichen Bildern abgelenkt, die im Fernsehen erschienen: Alte Leute, die in der Bernauer- und Ackerstraße im Wedding aus dem Fenster im zweiten Stock kletterten und in die Arme von West-Berlinern sprangen, Sekunden bevor Vopos in den Wohnungen erschienen und nach ihnen griffen.
Dazu Interviews mit wütenden West-Berliner-Zuschauern, die Aufnahme von einem jungen Vopo, der über Stacheldrahtrollen nach West-Berlin springt, Feuerwehrleute, die Sprungtücher aufspannten und sich damit dicht an Häuserwände schoben, die bereits in Ost-Berlin standen. Auf einmal wurde alles ganz ernst.
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»Susanne Tremper« aus Ost-berlin
Den Rest gab mir dann der nächste Anruf, eine erregte weibliche Stimme, die sich als »Susanne Tremper« vorstellte und als Ost-Berlinerin, der es gerade gelungen sei, mit ihrer Gitarre über die Stacheldrahthindernisse zu springen.
»Ich kenne Ihren Namen aus der Zeitung und bin Schauspielerin!«
»Kommen Sie sofort her!« schrie ich, und »Nehmen Sie sich ein Taxi, ich bezahle es!« Während wir auf sie warteten, diskutierten wir, wer diese »Susanne Tremper« sein könnte.
Es gab in ganz West-Berlin, außer mir, nur noch einen Tremper im Telefonbuch, einen Neuköllner Zahnarzt namens Bruno. Ich wußte: Die Trempers waren Hugenotten, aber allzu viele gab es nicht mehr davon.
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Es gab nicht mehr viele Trempers auf der Welt
Im Odenwald lebten Trempers, und im Telefonbuch von Manhattan hatte ich Dutzende entdeckt. In diesen 1960er Jahren bekam ich auch laufend Ansichtskarten aus dem Upper State New York: »Ich stehe hier auf dem Mount Tremper und denke an Dich!«
Und als ich in den 1980er Jahren mal auf die Idee kam, von Montreal aus mit einem Leihwagen nach New York zu fahren, um meinen Sohn Tim zu treffen, der bei einem Freund auf Long Island Urlaub machte, dessen Nachbar Avis hieß, weshalb Timmy mir in einem strahlend weißen Jaguar entgegenkommen konnte, trafen wir uns auf halbem Weg in Woodstock, denn über dieser Rocker-Versammlungsstätte liegt der Mount Tremper.
Er soll nach einem französischen Soldaten benannt worden sein, der die schlafenden amerikanischen Unionisten weckte, als sie von den Briten umzingelt worden waren.
Und Susanne Tremper kam nicht.
Sie meldete sich erst Wochen später noch einmal, hatte auf dem Weg zu mir einen Unfall auf dem Oberdeck eines Busses gehabt, der einen herabhängenden Zweig gestreift hatte. Damit wäre das Thema Susanne Tremper erledigt gewesen, wenn mir nicht 1969, als ich gerade meinen fünften Film in Hollywood beendet hatte, der Berliner Produktionsleiter eine Liste von Namen geeigneter Synchronsprecherinnen für meine nur englisch sprechende Hauptdarstellerin übergeben hätte: »Ach«, sagte ich, »diese Susanne Tremper hier, die hätte ich beinahe mal kennengelernt! Bestell sie für morgen zum Probesprechen!«
Alle bestellten Probesprecherinnen kamen - nur Susanne Tremper nicht. Sie hatte, auf dem Weg zu Geyer in Neukölln mit ihrem Taxi einen Autounfall auf dem Hermannplatz gehabt .
Sieben Jahre danach bastelte ich mit Hubert Burda in Offenburg an einer neuen Bunte herum und fand in einer Baseler Zeitung eine Kritik über eine Hamlet-Aufführung, die eine Susanne Tremper als weibliche Titelfigur bestritt.
»Ruf doch mal an«, sagte ich zu meinem Assistenten Mathias Nolte, denn Basel liegt nur 80 Kilometer von Offenburg entfernt, »ob wir Freikarten kriegen können .« Matsi Nolte kam blaß vom Telefon zurück:
»Was hast du denn der angetan? Wie die deinen Namen hört, springt sie mir fast ins Gesicht und keift: >Dieser Tremper soll mir bloß vom Leib bleiben! Wegen dem habe ich mir schon genug Knochen gebrochen!<«
Seitdem lese ich den Namen Susanne Tremper gelegentlich in einem Fernsehspiel, einem Liederabend, einem Interview, vermeide aber, sie anzurufen und erneut ins Unglück zu stürzen.
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Am Montag wußten es alle, der Film ist "gestorben"
Am Montagmorgen versammelte ich meinen kleinen Stab um mich und eröffnete allen, daß wir mit Zitronen gehandelt hätten, der Film Die Russen kommen! sei gestorben. Jeder verstand das und verzichtete auf die Auszahlung seiner Verträge. Bis auf meinen Produktionsleiter Hans Stani, der mich auf die volle Gage von 20.000 oder 30.000 Mark verklagte.
Mein Produktionsleiter Hans Stani war kein Freund
Ich ignorierte das einfach, ich war damals so leichtfertig. Ich ignorierte auch das »Versäumnisurteil«, das gegen die Will Tremper Film GmbH erging, um ein halbes Jahr später ein böses Erwachen zu erleben: Morgens um sechs rief die Sekretärin von Horst Wendlandt an, der Regisseur Alfred Vohrer sei, mitten in den Dreharbeiten zu einem Edgar Wallace Film plötzlich erkrankt, ob ich für ein paar Tage einspringen könnte.
Ich raffte mich auf und stand um 8.00 Uhr in einer Dekoration in den CCC-Ateliers in Haselhorst, begrüßte Klaus Kinski, Brigitte Horney und alle möglichen anderen Schauspieler, überflog die für diesen Drehtag vorgesehenen Drehbuchseiten und arrangierte die erste Szene.
De Gerichtsvollzieher wurde ins Studio "lanciert"
Da legte sich eine schwere Hand auf meine Schulter, und ein Gerichtsvollzieher sagte: »Haben Sie zwanzigtausend Mark bei sich?« Ich rief: »Sind sie verrückt? Sehen Sie nicht, daß ich gerade dabei bin, einen Film zu inszenieren?«
Natürlich sah er. Aber ein gewisser Hans Raspotnik, der seit Jahren um Atze Brauner herumwimmelte und auch schon mal vorgab, »Produktionschef der CCC-Film« zu sein, hatte den guten Mann nicht nur alarmiert, sondern auch ins Atelier hereingelassen; er war ein Intimus meines Hans Stani. Also, es half alles nichts, ich mußte abbrechen, die Schauspieler um Geduld bitten und dem Gerichtsvollzieher auf das Amtsgericht Spandau folgen. Er drohte, sonst die Polizei zu holen, wozu er durch Raspotniks heftiges Nicken ermuntert wurde.
Mein Blut kochte. Ich wollte unbedingt als Sieger aus dieser lächerlichen Farce hervorgehen, die mein Produktionsleiter Stani da mit mir aufführte. Die Tremper GmbH war nur wegen der zu erwartenden Prämie aus Bonn gegründet worden, besaß bei Scheuermann zwar ein Konto, aber kein Geld drauf. Ihr ganzes Kapital bestand in dem Wert, der von der Industrie- und Handelskammer für ein altes Drehbuch als »Gründungskapital« festgestellt worden war: 20.000 DM (heute verlangt das GmbH-Gesetz 50.000 Mark Gründungskapital).
Noch hatte ich die Prämie aus Bonn nicht angefordert - ich vermute, weil mir noch nicht ganz klar war, was ich eigentlich drehen wollte. Ich hätte mir 20.000 sicherlich von Otto Scheuermann ins Atelier schicken lassen oder von Wendlandt pumpen können. Aber daran dachte ich gar nicht. Ich war dickköpfig und wollte den Gerichtsvollzieher gegen die Wand laufen lassen.
Ich legte den Offenbarungseid ab, wie Heinz Rühmann mit seiner Comedia Filmfirma in Wiesbaden auch
Mein guter alter Otto Scheuermann raufte sich die Haare, als er hörte, ich hätte »die Gabel gemacht«, wie der Offenbarungseid in der Ganovensprache genannt wird. »Dafür, daß Sie brav beeidet haben, wieviel Unterhosen und Bücher Sie besitzen, stehen Sie jetzt auf der Schuldnerliste und kriegen nirgends mehr Kredit! Sind Sie denn wahnsinnig, Mensch! Der Makel haftet Ihnen ein Leben lang an!«
Es war mir scheißegal. Ich finanzierte alle meine Filme oder Filmanfänge ohnehin nur durch Illustriertenhonorare, brach so manchen Drehtag einfach ab, um schnell mal nach München oder Hamburg zu flitzen, einen oder mehrere Tausender zu verdienen, neues Filmmaterial zu kaufen oder der Crew ein Mittagessen zu spendieren.
Und »ein Leben lang« blieb der »Makel« auch nicht an mir haften: Zehn Jahre später stellte mein Freund, der Rechtsanwalt Jochen Löschl, den Antrag, mich aus der Schuldnerliste wieder zu streichen, und siehe da, es geschah.
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Und dann habe ich mich gerächt
Dem Raspotnik aber habe ich einen Tort angetan (= etwas Böses initiiert), unter dem er bis zu seinem Tod im Jahre 1995 zu leiden hatte. Rache ist süß: Ich empfahl jedem, der mit ihm zu tun bekam, den Namen Raspotnik einmal rückwärts zu lesen, und behauptete einfach, er heiße nicht Hans mit Vornamen, sondern Gregor, in seinem Paß stehe "G. RASPOTNIK" - rückwärts gelesen : KINTOPSARG.
Was den geborenen Serben nicht hinderte, jedesmal, wenn er mich sah, auf mich zuzuschießen, und mir tolle Geschichten zu erzählen: »Die gebe ich dir exklusiv, wenn du zu meinem 60. (70., 80.) Geburtstag einen Artikel über mich schreibst!« Bis heute habe ich diesen "Kintopsarg" nie erwähnt, auch über seinen Tod kein Wort verloren.
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Axel Springer mochte meine Frau immer noch
Axel Springer sagte, angeregt wohl durch meine Frau: »Ich leih' Ihnen gern mal was, Tremper, wenn Sie Geld brauchen, ist kein Problem!« Für ihn sicherlich nicht, aber für mich.
Viel später erst, als ich mit Karl-Heinz Hagen in der Kochstraße saß und ein zweites deutsches Nachrichten-Magazin entwickelte, habe ich Springer mal gefragt: »Warum haben Sie mir nicht Arbeit in einer Ihrer Redaktionen angeboten, statt Geld zu leihen?«
Er, der gerade ganz spontan seine Freude über meine Mitarbeit an dem neuen Magazin ausgedrückt hatte, antwortete ein bißchen nervös: »Ihnen? In einer Redaktion? Mensch, Tremper, ich habe mir doch dauernd die Klagen Ihrer Frau über Ihren unkonventionellen Lebensstil anhören müssen. Karin hat doch dauernd gejammert, daß Sie kommen und gehen, wie Sie wollen, und grundsätzlich die Nacht zum Tag machen! Nie wäre ich auf die Idee gekommen, daß Sie auch diszipliniert arbeiten können, wie jeder normale Mensch aufstehen und schlafen gehen!« - Er klang vollkommen ehrlich.
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Der überraschende Abgang von Karl-Heinz Hagen
Aber er hat offenbar doch versucht, wenn schon nicht mir, dann seiner Ex-Freundin zu helfen. Denn im November 1961 rief plötzlich Peter Boenisch an und sagte mit seiner tiefen, stets etwas gelangweilt klingenden Stimme: »Haste nich' Lust, mal was für mich zu schreiben?«
Boenisch war damals Chefredakteur der Bild-Zeitung geworden, nach dem überraschenden Abgang Karl-Heinz Hagens, gleich nach dem Mauerbau. Wie alle, die Hagens Qualitäten kannten - und die Boenischs -, war ich empört gewesen über den Wechsel und die damit aufkommenden Gerüchte, von wegen:
»Dem Springer sind die starken antikommunistischen Schlagzeilen seines Bild-Chefs auf die Nerven gegangen! Und als er dann auch noch beschuldigt wurde, den Mauerbau durch eben diese Bild-Schlagzeilen geradezu provoziert zu haben, hat er die Nerven verloren!«
Was lachhaft war, denn ich wußte von Hagen, daß Axel Springer auf dem Höhepunkt der Kampagne, bis kurz vor dem Mauerbau, ständig in der Chefredaktion erschienen war und die brutalsten Zeilen sogar selbst entworfen hatte.
Daß er so etwas wie Schuldgefühle dadurch bekommen haben könnte, erschien mir vollkommen absurd. Ich wußte überdies, daß er Karl-Heinz Hagen außerordentlich schätzte und respektierte, da Hagen als Chefredakteur der BZ sein Können brillant unter Beweis gestellt hatte - respektiert hat er ihn wohl erst, als er die Ullsteins in Berlin kaufte und Hagen durch seinen Generalbevollmächtigten Christian Kracht ein großzügiges Angebot machen ließ, das Hagen ausschlug.
Der hatte es vorgezogen, ein Studienjahr auf Springers Kosten in Amerika zu verbringen und sich erstmal aus der Ferne anzusehen, was der Hamburger Verleger in Berlin machte.
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Ich wollte es aber genauer wissen - das mit dem Abgang
Bei nächster Gelegenheit habe ich Axel Springer dann direkt nach den Gründen für Hagens Ausscheiden, nach nur einem Jahr an der Spitze der Bild-Zeitung, befragt. Seine Antwort hat mir gefallen, weil sie dem Eindruck entsprach, den ich selbst von meinem Freund Karl-Heinz seit 1946 gewonnen hatte:
»Ach, wissen Sie«, begann Springer, sich erhebend und sinnend aus dem Fenster guckend, »die Bild-Zeitung scheint doch nicht das Richtige für Hagen gewesen zu sein. Er hat durch sein immenses Wissen die Redakteure eher verunsichert .... äh .... und als ich dann gehört habe, daß er auch nicht Auto fuhr, es sogar ablehnte, sich durch einen Chauffeur morgens abholen zu lassen - bedenken Sie doch: auf dem Auto basiert schließlich das Interesse der Bild-Leser! - und statt dessen mit der Hamburger S-Bahn morgens in die Redaktion fuhr .....«
Ich lachte. Ich kannte ja meinen Karl-Heinz und warf schnell ein: »In der S-Bahn hat er aber alle getroffen, die noch kein Auto haben, Herr Springer!«
Ungeduldig fuhr der Verleger fort: »Ja, schön, mag sein - aber was hat er getan, da in der S-Bahn? Hat er alle Zeitungen gelesen, sich über den täglichen Stand der Dinge informiert? Nein! Er hat - und jetzt lachen Sie bloß nicht, Tremper! - er hat spanische Mystiker gelesen!«
Er sprach dieses Wort »Mystiker« wie etwas ungeheuer Widerwärtiges aus, etwas ganz und gar Unanständiges, wenn nicht unserem ganzen Berufsstand höchst Abträgliches. Ich wußte genug und brauchte nicht erst zu warten, bis Springer mir vielleicht noch erzählte, daß Karl-Heinz Hagen auch kein Fersehen habe, die zweite Säule des Interesses aller Bild-Leser.Vor allem war mir jetzt klar, warum mein geliebter alter Chefredakteur mich nie aufgefordert hatte, an der Bild-Zeitung mitzuarbeiten.
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Karl-Heinz Hagen fragte : Hattest Du das nötig ?
Viel später erst kamen wir mal darauf zu sprechen, und Hagen blickte mich erstaunt an: »Du bei der Bild? Ja, Mann, das hast du doch nicht mehr nötig gehabt! Du warst doch längst beim Stern und viel weiter!«
Auf die Idee, daß ich eine Menge Geld mühelos mit Serien verdienen könnte, war er gar nicht gekommen.
Auf dem Weg zu Peter Boenisch nach Hamburg
Aber nun flog ich zu Boenisch nach Hamburg, der Auto fuhr und Fernsehen guckte, also den Bild-Lesern viel näher stehen mußte, und wurde durch seine Aufmerksamkeit überrascht:
Der schönste Journalist Deutschlands empfing mich nicht in der Redaktion, sondern erst nach der Arbeit, um 22.00 Uhr, in seiner Wohnung am Feenteich. Ich war beeindruckt und dachte schon, daß Springer hinter der Einladung stecken müßte, zumal »Pepe«, wie wir Peter Boenisch in der Branche nannten, keine einzige Idee hatte, was ich für ihn schreiben könnte.
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SO SCHÖN WIE DAMALS
»Haste nich 'ne Idee?« nölte er in seinem herzhaftesten Berlinisch und gähnte bereits. Das war das Beste, was ihm einfallen konnte. Ich legte, wie er, die Beine auf den Tisch und sagte, was mir immer einfällt, wenn ich um einen Einfall verlegen bin:
»Alte deutsche Filme! Neuerdings wird ja so ein Mist zusammengedreht, daß die alten UFA-, TOBIS- und TERRA-Filme dagegen wie Kunstwerke aussehen! Außerdem steht Weihnachten bevor, da füllt das Fernsehen wieder seine besten Sendezeiten mit guten alten deutschen Filmen!«
»Is' jeritzt!« sagte Pepe, ohne besonderen Enthusiasmus zu zeigen. »Schreib mir 'ne Serie über schöne alte deutsche Filme und was da beim Drehen und so alles passiert ist. Kriegst'n Dausender pro Folge, unser Spitzenhonorar, das nur noch Hans Habe bekommt, wa?«
Und so liefen denn schon vor Weihnachten 18 Folgen unter dem Titel »So schön wie damals« in der Bild-Zeitung, und ich sah alte Freunde wie Adolf Vollbracht und neue wie Inge Dähne, die meine Serie betreute. Inge war, wie ihre Kollegin Marien Sinjen, eine der aufgewecktesten in der ganzen, noch nicht mal hundertköpfigen Redaktion - zehn Jahre später zählte ich, allein in der Hamburger Zentrale, sechshundert.
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Alle liebten Peter Boenisch - nur ich nicht
Peter Boenisch sah ich nie wieder unter vier Augen, immer nur zu formellen Anlässen. Ich bin mit dem Burschen nie warm geworden, aber seine Redakteure liebten ihn, weil er eine schön relaxte Art hatte, das Blatt zu machen.
Als Günter Prinz, wiederum zehn Jahre später, die Bild-Zeitung übernahm und sich als eiserner Besen entpuppte, erzählte er mir empört, daß »Pepe« sich angewöhnt habe, während der Hauptproduktionszeit seines Blattes Golf spielen zu gehen. Er habe von unterwegs nur mal angerufen: »Wat macht Ihr'n für 'ne Schlagzeile morgen?«
Für einen wie Prinz, der seinen Redakteuren pausenlos im Nacken saß und Schlagzeilenkonferenzen veranstaltete, die an Intensität nicht zu überbieten waren, einfach »un-möglich!«
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Boenischs russische Mutter und die Pilzköpfe
Aber mit Boenischs russischer Mutter, die ich gelegentlich in Berlin sah, verstand ich mich um so besser. Das war eine süße alte Dame, die nur eine Sorge kannte: daß ihr schöner Junge endlich die richtige Frau finden würde. »Die Weiber sind ja alle so hinter ihm her!« klagte sie. »Da ist es nicht leicht, die richtige Wahl zu treffen!« War ich froh, kein »schöner Junge« zu sein.
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Die hässlichen Stones und die Pilzköpfe
Zumal das die Zeit war, fällt mir ein, in der die häßlichsten Jungs Karriere zu machen begannen, Anfang der sechziger Jahre. Ich saß im Basement, im Keller des Londoner Mayfair Hotels, in dem sich ein hübsches kleines Luxuskino, nur für Hotelgäste, befand.
Ich hatte es für morgens um acht Uhr gebucht, fand dort aber Sammy Davis jr., noch im Frackhemd der vergangenen Nacht, aber ohne Hose, in Gesellschaft von drei angeschickerten Mädchen vor.
Taktvoll zog ich mich in die Hotelhalle zurück und lief einem sehr übernächtigten Darryl F. Zanuck in die Arme. Ich wußte, daß der ehemalige Boß der 20th-Century-Fox, dem ich in Paris einmal vorgestellt worden war, sich irgendwo in der Nähe von London aufhielt, um eine »Royal Performance« seines Films "The Longest Day" vorzubereiten, seine starbestückte Produktion über die Invasion in der Normandie, nach dem Bestseller von Cornelius Ryan.
Spontan fragte ich ihn nach Mr. Ryan, den ich in Berlin kennengelernt hatte, aber als ich mit der Geschichte von Cornelius Ryans Auftritt in der Uniform General Howleys begann, unterbrach er mich, kritzelte seine Adresse auf eine Visitenkarte und lud mich ein, ihn doch auf dem Land zu besuchen.
Er langweile sich in Cornwall zu Tode, der Buckingham Palast ließe ihn mit der Zusage der »Royais« fürchterlich hängen. Dann war er verschwunden, und ein Hotelangestellter, den ich mit einer Fünfpfund-Note erfreut hatte, erzählte mir, daß er vor zwei Stunden erst, mit drei Nutten im Arm, nach Hause gekommen sei. Unter drei Mädchen gleichzeitig ging Hollywood in London offenbar nicht ins Bett.
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Die Tochter vor den "The Rolling Stones" retten
Dann wartete ich in der Halle auf den Chauffeur mit Rolls Royce, den ich für das Weekend gemietet hatte, und als er endlich, mit Verspätung, auftauchte, entschuldigte er sich mit einer »privaten Tragödie«. Seine minderjährige Tochter war mit einer neuen Rockgruppe davongerannt, die sich "The Rolling Stones" nannte und in einem Kino in Southend an der Themsemündung nach der Abendvorstellung auftrat. Ich beruhigte den armen Mann mit der Versicherung, daß wir am Ende unserer Obliegenheiten nach Southend fahren und das Töchterchen retten würden.
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Wir mußten den Hollywoodstar Robert Mitchum auftreiben
Aber vorläufig hatten wir damit zu tun, den Hollywoodstar Robert Mitchum aufzutreiben, der sich irgendwo in London unter falschem Namen einquartiert hatte. Nach dem fünften Hotel gab ich die hoffnungslose Nachforschung auf und rief von einer Tankstelle aus meinen Freund Carroll Righter in Hollywood an, wo zwar alles noch im Schlaf lag, wo Carroll aber jetzt senkrecht im Bett sitzen und die Anrufe seiner über die ganze Welt verstreuten Klientel entgegennehmen würde.
Carroll war der Astrologe der Stars und seine Kundschaft das ungefähr Hilfloseste, was sich denken läßt: lauter abergläubische Millionäre, die nicht an ihr Glück glauben konnten - und »Bob« Mitchum hatte als junger Mann, bevor er es selber mit der Schauspielerei versuchte, für ihn gearbeitet.
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Der Hollywood-Tycoon Darryl F. Zanuck
»Zufällig weiß ich, daß er heute nachmittag bei Zanuck in St. Yves sein wird«, rief Carroll Righter. »Aber ich habe seine Adresse nicht!«
Wir rasten los, quer durch Südwest-England, und als wir am Spätnachmittag am äußersten Zipfel Cornwalls vor der fürstlichen Mietvilla des Hollywood-Tycoons ankamen, war Robert Mitchum gerade wieder verschwunden. »Vor einer Viertelstunde!« rief Irina Demick, die rothaarige Freundin Zanucks.
»Aber wo er hin ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur«, und nun lachte sie schallend, »daß er Mr. Zanuck ein blaues Auge hinterlassen hat!«
Worauf noch eine zweite weibliche Stimme hinter der Tür in ein prustendes Gelächter ausbrach. Die gehörte, wie ich erstaunt wahrnahm, Zanucks Ehefrau Virginia. Der alte Hecht hatte sich in St. Ives also mit Ehefrau und Geliebter einquartiert!
Und schon schrie er nach seinen »broads« und kam neugierig zum Eingang, ein nasses Handtuch vor sein Auge haltend. Ich erklärte schnell die Situation, und Zanucks Stimmung, die bei meinem Anblick (»Woher kenne ich den Kerl?«) wohl sogleich gesunken war, hob sich schnell auch wieder, als er mir erzählte, er hätte mit Mitchum ein paar Runden geboxt und den mindestens 10 Jahre Jüngeren schon nach der 2. Runde in die Flucht geschlagen. Bob, so nannte er Mitchum, sei ein Jammerlappen, der nichts mehr vertrage, und ob ich nicht ein Gläschen mittrinken wolle, er habe einen hervorragenden, 50 Jahre alten Malt-Whiskey entdeckt.
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Darryl Zanuck geriet ins Erzählen - eine Story nach der anderen
Das wurde eine kostbare halbe Stunde für mich, denn Zanuck geriet ins Erzählen, beeindruckt wahrscheinlich von dem Rolls, in dem ich vorgefahren war, und wollte sofort wissen, woher ich seine Frau kannte. Ich berichtete ihm von einer Jahre zurückliegenden Pressekonferenz in Malibu, bei der Mrs. Zanuck ihre neue Freundin Bella Darvi vorgestellt hatte - was Zanuck prompt zu der Frage veranlaßte, ob ich denn auch wüßte, wie der Name Darvi zustandegekommen sei:
»Surely«, sagte ich, »mein Freund Henry Gris hat mich aufgeklärt: >Dar< kommt von Darryl und >vi< von Virginia, dem Vornamen Ihrer Frau!« Worauf das Ehepaar in ein monströses Gelächter ausbrach, während Irina Demick schockiert das Zimmer verließ.
Bei dieser Bella Darvi, einer wollüstigen Pariser Schönheit, die an Viviane Romance erinnerte, soll es sich um eine aus Auschwitz entkommene Polin gehandelt haben, die nach dem Krieg eine Art Karriere als Geliebte französischer Industrieller machte.
Doch als Darryl F. Zanuck die ersten Filmfestspiele in Cannes besuchte, arbeitete sie bereits als hochbezahltes Callgirl in Monaco. Sie muß es dem Hollywood-Boß besonders gut besorgt haben, denn am Morgen danach schmiß er sie nicht, wie bei ihm üblich, schlecht gelaunt aus dem Hotel de Paris, sondern quartierte sie tagelang in seiner Suite ein - Frau Zanuck schien noch nicht eingetroffen gewesen zu sein.
Aber als der gute Darryl diese Bella gleich auch noch mit nach Hollywood nahm und in seinem Strandhaus in Malibu unterbrachte, wurde die Affäre offensichtlich und zum Skandal. Doch der Mann scheint ein gutes Händchen auch im Umgang mit Ehefrauen gehabt zu haben. Anstatt Zanuck mit Scheidung zu drohen, lud Mrs. Zanuck die gesamte Hollywood-Presse zu einer Party in Malibu ein und stellte persönlich die Entdeckung ihres Mannes vor, deren Künstlername sich, wie gesagt, aus ihrem und ihres Mannes Vornamen zusammensetzte.
Die schöne Bella scheint auch für Frauen attraktiv gewesen zu sein. Sie hat dann in ein paar 20th-Century-Fox-Filmen mitgespielt, aber als ein Witzbold aus dem »o« im Studio-Einfahrtsschild ein »u« klebte, so daß es tagelang weithin sichtbar 20th-Century-Fux hieß, ließ Zanuck seine Gespielin zurück nach Paris gehen.
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Eine drei mal drei Meter großen Spielwiese im Schlafzimmer
Das spindeldürre Kerlchen mit dem blauen Auge erinnerte mich an den spindeldürren John Huston, der im nächsten Kapitel auftritt. Auch John Huston boxte (im Leichtgewicht). Als ich Zanuck von Hustons Besuch in Berlin erzählte, lockerte sich die Atmosphäre immer mehr.
Virginia Zanuck verschwand zwar ebenfalls, um einen Abendhappen vorzubereiten, aber Zanuck führte mich ins Allerheiligste, sein pompöses Schlafzimmer mit einer drei mal drei Meter großen Spielwiese und zwei mächtigen Drehspiegeln auf jeder Seite, die einem Pornofilm Ehre gemacht hätten.
Doch in einem Erker hatte er einen Tisch mit lauter Meßtischblättern der normannischen Küste aufgebaut, versehen mit akribischen Einzeichnungen der alliierten Invasions-Operationen, die er mir haargenau erklärte, obwohl er von mir hören mußte, daß ich mit damals 16 Jahren noch nicht dabeigewesen war.
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Die Geschichte von den »tollen Jungens!«
Auf eine gerahmte Schlagzeile weisend, die an der Wand hing, erzählte er mir, daß er bereits als Vierzehnjähriger im Ersten Weltkrieg in Frankreich gekämpft habe und natürlich 1944 als Captain der Marines in allen Phasen der Invasion. Ich war beeindruckt, fand später aber heraus, daß er geschwindelt hatte und weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg dabeigewesen war. Mich mißbilligend über die Schulter musternd, sagte er, über seine Meßtischblätter gebeugt, daß jüngere als ich ihn beinahe zurück ins Meer geworfen hätten, Angehörige der um Caen herum eingesetzten SS-Panzerdivision »Hitlerjugend«, und keiner sei älter als 14 Jahre gewesen. Mit dem Spaten hätte er sie totschlagen müssen, so hätten die verwundet noch gekämpft, »tolle Jungens!«
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Ich hütete mich, ihm zu widersprechen .....
Schon da ahnte ich, daß er zumindest ein gewaltiger Aufschneider war. Ich selbst war doch der lebende Beweis dafür, daß auch die Waffen-SS keinen Hitler jungen unter 16 zum Sterben einlud.
Aber ich hütete mich, ihm zu widersprechen, ich genoß viel zu sehr, einen Militaristen und Nationalisten in Zanuck zu erleben, der selbst sehr gut zu jener Waffen-SS gepaßt hätte, die in den Nürnberger Prozessen zur »verbrecherischen Organisation« erklärt worden war. Wovon ausgerechnet SPD-Größen, wie Schumacher und Wehner, sich öffentlich bald darauf distanziert hatten (500.000 potentielle Wähler, so argumentierte Wehner).
Außerdem hoffte ich natürlich, durch Zanuck doch noch zu einem Gespräch mit Robert Mitchum zu kommen, was sich im weiteren Verlauf der Geschichte als Trugschluß herausstellte: Mitchum legte auf, als er Zanucks Namen hörte.
Ehefrau und Geliebte Arm in Arm
Arm in Arm sah ich dann Ehefrau und Geliebte, Mrs. Zanuck und Irina Demick, durch den Garten schlendern, und Darryl Z. öffnete das Erkerfenster und schrie sie an, ob sie nichts Besseres zu tun hätten. Die Damen kamen näher und erzählten, in der Küche säße mein weinender Chauffeur und habe vor Kummer über seine Tochter nichts, was ihm angeboten worden wäre, anrühren können.
Und nun erlebte ich einen Zanuck, der auch vor dem Heiligsten der Engländer, dem Buckingham Palast, nicht zurückschreckte und eine Suada von Verbalinjurien über die gesunkene Moral der Briten losließ - in diesem perversen Spiegel-Schlafzimmer stehend. Wenn er der Vater wäre, ereiferte er sich, würde er diese »Rolling Stones« kaltlächelnd der Reihe nach umlegen, würde gar nicht erst fragen, wer der Schänder seiner Tochter wäre.
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Endlich - eine Gelegenheit, mich zu verabschieden
Das war eine treffliche Gelegenheit, mich zu verabschieden, in den Rolls Royce zu springen und, bei anbrechender Dunkelheit, quer durch das Land zur Themsemündung zu brausen.
Ich klemmte mich hinter das Steuer und überließ dem gebrochenen Vater das Studium der Straßenkarte. Und wir schafften es, die Rolling Stones noch vor dem Beginn der Spätvorstellung in diesem Kino in Southend zu erleben.
Eines der ersten Rolling Stones Konzerte - in einem Kino
Das Geheul in dem 500-Plätze-Kino war unbeschreiblich, schon von der Straße aus zu hören, die schwarz vor jungen Leuten war, die keinen Einlaß mehr gefunden hatten. Doch mein Vater kämpfte sich brüllend zum Eingang durch.
Während ich nach ein paar Minuten schon die Flucht ergriff und mir im Foyer begeisterte Kommentare des Kinomanagers anhörte, der mir erzählen wollte, daß er bei einem Gastspiel der Rolling Stones stets ausverkauft sei, gleichgültig wie schlecht der Film an anderen Tagen laufe, hatte sich mein Chauffeur die Mühe gemacht, mit dem Rücken zur Bühne an der Wand entlang zu schleichen und die Gesichter der ekstatischen Teenager zu observieren.
Und tatsächlich schleppte er auf einmal seine Tochter an, ein kleines, rachitisches, schmutzigblondes Ding, das nur langsam aus einer Art Trance erwachte und den Vater wüst zu beschimpfen und zu schlagen begann.
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Ich konnte noch keine Zeitenwende erkennen
Ich war noch weit davon entfernt, so etwas wie eine Zeitenwende in dem Auftauchen der Beatles und jetzt der Rolling Stones zu erkennen, fühlte mich aber veranlaßt, auf dem nächtlichen Nachhauseweg nach London für die kleine Ausreißerin Partei zu ergreifen.
Was ich, mit dem Kind im Arm, auf dem Rücksitz zu hören bekam - »Keep your eyes on the road!« mußte ich dem Vater immer wieder befehlen -, veranlaßte mich am nächsten Morgen dann doch, die Quick-Redaktion in München anzurufen und von der neuen Band zu berichten. »Mach ein paar Fotos von den Stones«, riet mir Günter Prinz. »Setz sie auf den Rolly Royce und parke ihn vor dem Bucking-ham Palast!«
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Auf einmal meine Frau Karin - sie war auch in London
Als ich den Kontaktbogen dieser Bilder kürzlich fand, wußte ich zuerst nicht, wer die Jungs auf dem Rolls Royce waren. Aber dann entdeckte ich auf einmal meine Frau Karin in ihrem weißen, nerzgefütterten Trenchcoat am Rande, und da kam die Erinnerung wieder.
Sie war am selben Morgen in London eingetroffen, hatte die Angewohnheit entwickelt, zum Shopping ins Harrod's zu fliegen und Unmengen von braunem Zucker in ihrer großen Reisetasche nach Berlin zu schmuggeln - bis eine Freundin sie aufmerksam machte: »Braunen Zucker bekommst du auch im KaDeWe!«
6.000 kleine Mädchen im Kollektiv in die Höschen
Ich weiß nicht mehr, was Günter Prinz mit meinen Fotos in der Quick gemacht hat, aber Ahnliches hatte ich vorher schon mal in den "K. B. Hallen" in Kopenhagen erlebt, wohin mich Kindlers Revue geschickt hatte, zu einer Rockband, an der weniger ihre Musik als ihre Frisuren auffiel.
The Beatles nannten wir die Pilzköpfe, sie waren angeblich von einer Hamburger Friseuse so zurechtgeschnitten worden, bevor sie nach Liverpool zurückkehrten. In die K. B. Hallen paßten, glaube ich, 6000 Leute rein, die sich beim Vorprogramm schon total bemachten. Um Gottes Willen, hatte ich zu einem der Manager in Kopenhagen gesagt, wenn die jetzt schon außer Rand und Band sind und einen derartigen Krach veranstalten, wie soll sich das bei den Beatles später noch steigern können?
Als die Pilzköpfe dann endlich erschienen, machten sich 6.000 kleine Mädchen im Kollektiv in die Höschen. Darum war ich im Jahr darauf, in dem Kino in Kondon/Southend, kaum noch überrascht von dem Uringestank, den die Rolling Stones auslösten. Es war die gleiche üble Wolke, die mich schon in Kopenhagen vorzeitig von meinem Beobachtungsposten in den Kulissen der K.B. Hallen vertrieben hatte.
Schon damals, in den ersten 1960er Jahren, hatte ich es also versäumt, die Pilzköpfe zu interviewen. Ich schrieb in der Revue: »Was für eine Musik soll das sein? Die dänischen Kinder scheinen den Verstand verloren zu haben!« Ich ahnungsloser Narr, der Frank Sinatra bewunderte.
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Die Welt ist verrückt geworden!
Im Jahr darauf war ich immerhin schon so weit, daß ich einige Beatles-Nummern, wie Michelle und Yesterday ganz gut fand. Aber mit dem Zeug, das diese Stones grölten, konnte ich überhaupt nichts anfangen.
Und wie die aussahen! Ich war damals 33 oder 34 Jahre alt und tief bestürzt über den Graben, der meinen musikalischen Geschmack von dem der nachfolgenden Generationen trennte.
Ich dachte damals in London nur: Die Welt ist verrückt geworden! Diese Kids reagieren nur noch auf Bumm, Bumm, Bumm! Ein Elvis, der mich in den fünfziger Jahren mit seinem Rock'n'Roll noch angemacht hatte, wirkte gegen die Rolling Stones bereits wie ein Opa.
Und Elvis war, verglichen mit Mick Jagger, trotz seiner Schmalzlocken noch ein hübscher Mensch gewesen. Aber dieses verkommene, verwüstete, roh und schief geratene Mick-Jagger-Gesicht?
Leni Riefenstahl rief mich zehn Jahre später an und fragte nach dem Kerl. »Er will nur von mir fotografiert werden! Wer ist das denn -?«
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