Will Tremper - "Große Klappe" - Meine Filmjahre (aus 1997/98)
Wie damals in Deutschland die Filme "gemacht" wurden und was nicht in den Filmheftchen und auf den Filmplakaten geschrieben stand. Auch vom Weg von der Ideenfindung über das Drehbuch bis zum ersten Drehtag wird viel aus der Schule geplaudert. Und sebstverständlich kommen bei Will Tremper auch die Filmsternchen - auch die männlichen - nicht zu kurz. Die erste Seite beginnt hier .....
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Dreharbeiten und Etat von Sperrbezirk sind im Zeitplan
In der Erinnerung kommen mir die Dreharbeiten von Sperrbezirk viel langweiliger vor als die aller anderen Filme. Das muß damit zu tun haben, daß es beim Drehen keine Überraschungen mehr gab, daß ein Drehbuch vorhanden war und die Besetzung auch der kleinsten Rolle feststand.
Was mir als Regisseur zu tun blieb, war zügiges Arbeiten, das tägliche Pensum erfüllen, und da ich ohne großes Engagement zugange war, machte auch das keine Schwierigkeiten.
Ich erinnere mich an Neubachs Staunen, das von Tag zu Tag größer wurde. »Ich fürchtete schon, du machst mir >Kunst<«, sagte er. »Ich habe bei der Kubaschewski die Hand ins Feuer legen müssen, daß du den Etat einhältst.
Die haben in München beim Verleih alle gesagt: Um Gotteswillen, der Tremper! Der hält sich doch nicht ans Drehbuch! Das ist ein Verrückter! Der macht doch, was er will! Der wird nie fertig! - Und jetzt drehen wir schon vierzehn Tage, und du bist genau im Plan, sogar schon ein bißchen im voraus! Ich komme gar nicht dazu, meine Stroheim-Tricks anzuwenden!«
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Was sind deine Stroheim-Tricks?
»Was sind deine Stroheim-Tricks?« fragte ich den Ernstl. »Die werde ich dir gerade verraten!« rief er. Aber dann gab er seinem Affen Zucker und spielte mir doch eine Reihe von Szenen vor, mit denen er das »Genie« aus der alten K. u. K.-Monarchie an die Kandare genommen hatte: Herzanfälle, Ohnmächten mit rollenden Augen, Schreikrämpfe - bis hin zu gespielten Selbstmordversuchen.
Und natürlich kam wieder eine der unglaublichen Neubach-Geschichten dabei heraus, die nie blank erfunden, höchstens ein bißchen ausgeschmückt waren.
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Ernst Neubach und das Verhältnis zu Stroheims Frau Denise
»Ich habe doch mit seiner Frau Denise Vernac unter einer Decke gesteckt«, erzählte er, »und es ergab sich, daß diese rassige Schönheit gerade ein Verhältnis mit einem meiner jungen Autoren angefangen hatte - genau mit jenem, mit dem ich den nächsten Stroheim-Film produzieren wollte! Du weißt doch, daß ich neun Filme für ihn geschrieben oder produziert habe, alle zwischen 1944, das war die Rue de Montmartre, und 1955 der L'Homme aux Cent Visages .«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte ich, »er brauchte Geld.«
»Nun was«, sagte Neubach, »Geld brauchen wir alle . Also, ich hatte mein einziges Exemplar der Denise Vernac nach Hause geschickt - er wohnte ganz allein mit ihr auf dem Chäteau Maurepas in der Nähe von Paris - und hatte sie ersucht, dafür zu sorgen, daß er es bis Sonntag liest und da ruft mich am Sonntagmorgen der Erich von Stroheim an und weint:
Stroheim in Flammen
Auf seiner Bude hat's gebrannt, und nun ist das einzige Exemplar, das er noch besitzt, dasjenige, das ich Madame Denise geschickt habe! Ach, habe ich noch zu ihm gesagt, bei der Denise ist es sicher, da müßte schon das ganze Schloß abbrennen!«
Was bei Erich von Stroheim brannte, war der riesige mittelalterliche Kamin, zweieinhalb Meter hoch und vier Meter breit, den der Exzentriker mit ganzen Baumstämmen zu füllen pflegte.
Und als das Kaffeegespräch dann endlich auf das neue Drehbuch des jungen Autors kam, nahm der Stroheim es in die Hand, wog es skeptisch und warf es ohne besondere Gemütsaufwallung kurzerhand über die Schulter in den brennenden Kamin: »Damit du siehst, Neubach, was ich davon halte!«
Der entsetzte junge Autor sprang auf und stürzte sich mit dem Ruf: »Mein einziges Exemplar!« todesmutig in die lodernden Flammen. »Worauf«, sagte Neubach, »seine heimliche Liebe, die Denise, aufsprang und >Oh mon Dieu!< ihrem Geliebten hinterhersetzte - und nun endlich auch Stroheim begriff, was er angerichtet hatte, und seiner rassigen Frau hinterhersprang - mitten in die Flammen!«
»Und du?« rief ich, nach Luft japsend, »Und du?«
Stoisch antwortete Neubach: »Da mußte ich natürlich auch hinterher-springen, mon Dieu de Dieu! Der Stroheim war schließlich mein As im Ärmel, der nächste Film schon überallhin verkauft .«
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»Mit Champagner haben wir die Glut gelöscht!«
So wälzten sich, nach seiner Schilderung, an diesem Sonntagnachmittag auf dem Land bei Paris, der ein höchst friedlicher hätte werden sollen, auf einmal vier ausgewachsene Menschen in den Flammen, und als es ihnen zu heiß geworden war, auch noch auf dem kostbaren Teppich Stroheims, um die Flammen zu ersticken.
»Mit Champagner haben wir die Glut gelöscht!« beendete Neubach seine Geschichte. »Jeder hatte seine kleinen Brandwunden - hier«, er streifte seinen Rockärmel zurück und zeigte auf eine winzige Narbe, »hier kannstes noch sehen! Siehst du's?«
Weil ihm aber die Pointe, wie schon oft gesagt, nicht genügte, setzte er noch eine drauf: »Mein Verleih hatte übrigens noch zwei Drehbuch-Exemplare vorrätig, an die ich gar nicht mehr gedacht hatte .«
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Paul Hubschmid und Eva Renzi wollen heiraten
Zwischendurch rief auch Eva Renzi wieder an, die tatsächlich den Witwer Hubschmid heiraten wollte, erkundigte sich nach Playgirl, unserem Film, der immer noch einen Schneideraum bei Geyer in Neukölln beanspruchte, und ließ erkennen, daß sie auch in Sperrbezirk gerne mitgespielt hätte.
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Michael Caine klaut mir meinen Hering
Ich stellte mich schwerhörig. Aber ich kam trotzdem nicht von ihr los, denn eines Abends, als ich mit Harald Leipnitz nach Drehschluß in einer Kneipe am Hagenplatz im Grunewald die neuen Heringe ausprobierte, griff mir von hinten ein Männerarm über die Schulter und holte sich ein Stück Hering von meinem Teller: Michael Caine, der große britische Schauspieler.
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Diana Rigg, die unvergessene Emma Peel hat uns bekannt gemacht
Ich hatte ihn durch Diana Rigg kennengelernt, die unvergessene Emma Peel aus der Schirm, Charme und Melone-Serie, mit der ich zwei Jahre zuvor in einem Londoner Club mittaggegessen hatte.
Sie hatte mir einen rotblonden jungen Mann mit einer dicken schwarzen Hornbrille vorgestellt, der an der Bar lehnte. »Mister Tremper«, sagte sie zu ihm, »ist Journalist und Filmproduzent aus Deutschland!«
Worauf der Typ sich unaufgefordert zu uns gesetzt und die üblichen Fragen gestellt hatte: »Was machen Sie gerade?« usw., aber mich auch wissen ließ: »Ich spiele alles, vom Hurensohn bis zum königlichen Prinzen - Anruf genügt, und ich komme!«
My name is Caine, Michael Caine
Ich kann nicht sagen, daß er einen großen Eindruck auf mich gemacht hätte, aber Diana Rigg versicherte mir später: »Aus dem wird mal ein Star! Er ist hungriger nach Filmrollen als jeder andere Schauspieler, den ich kenne!« Tatsächlich hatte mir schon zwei Abende später bei Annabelle's jemand auf die Schulter getippt, und es war wieder dieser rotblonde Schauspieler mit der dicken Brille. »Vergessen Sie nicht«, sagte er, »the name is Caine, Michael Caine!«
Da hatte er, nach zehn Nebenrollen, erst eine Hauptrolle gespielt, den Leutnant Bromhead in dem Zulu-Film, war aber mit seiner zweiten Hauptrolle als Geheimagent Harry Palmer in Ipcress File gerade in Berlin gewesen und schwärmte von den deutschen Fräuleins. Aber dieser Film, der ihn weltbekannt machen sollte, war noch nicht in den Kinos.
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Ich lernte durch ihn den Produzenten Harry Saltzman kennen
Und nun stand er hinter mir, kaute von meinem Hering und machte »Hm - !« Er war wiederum als Geheimagent Harry Palmer in Berlin, saß an einem anderen Tisch mit seinem Produzenten Harry Saltzman, und beide hatten zwei bildhübsche Mädchen dabei.
Michael machte uns bekannt, wir sprachen über seinen Film "Funeral in Berlin", den United Artists in der deutschen Fassung "Urlaub in Berlin" nannte - eine »Beerdigung« im Zusammenhang mit »Berlin« erschien ihnen wohl unpassend -, und dann sah sich Harry Saltzman, seit Dr. No auch als James-Bond-Produzent bekannt, eine Rolle aus Playgirl an.
Harry Saltzman bekam beim Anblick meiner Hauptdarstellerin den Mund nicht mehr zu
Ich weiß nicht mehr, ob es noch am selben Abend geschah oder ein paar Tage später, jedenfalls bekam er beim Anblick meiner Hauptdarstellerin den Mund nicht mehr zu und tat etwas, für das ich die Branche immer lieben werde:
Er brach, nach 21 Drehtagen, seine Aufnahmen zu Funeral in Berlin jäh ab, engagierte Eva Renzi und begann seinen Film mit ihr nochmal neu zu drehen.
Die Hollywood-Schauspielerin Anjanette Corner, bekannt aus Evelyn Waughs "The Loved Ones", mit der er die ersten drei Wochen schon verdreht hatte, wurde für »erkrankt« erklärt, ausgezahlt und nach Hause geschickt.
So befand sich die total unbekannte Eva bereits bei ihrem zweiten Film in der ersten Reihe Hollywoods, obwohl ihr erster Film noch gar nicht herausgekommen war.
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Paul Hubschmid durfte auch mitspielen
Paul Hubschmid übernahm in "Funeral in Berlin" übrigens die Rolle des deutschen Gegenspielers von Michael Caine. In seinen Memoiren erzählt er, daß er auf einer Party in seiner Wohnung in Dahlem die Eva dem Funeral-Regisseur Guy Hamilton vorgestellt habe:
«My Playgirl!« Aber da auch er in diesen Memoiren noch von einer »Erkrankung« Anjanette Corners berichtet, scheint er nicht ganz auf dem laufenden gewesen zu sein, was sich hinter den Kulissen tatsächlich abspielte.
Jedenfalls erzählte mir ein paar Tage später bereits Guy Hamilton, der vor Funeral die Dreharbeiten an dem Bond-Film Goldfinger beendet hatte, daß er mit der Renzi »überglücklich« sei.
Ich warnte ihn noch: »Passen Sie auf! Die Renzi ist gut, aber schwierig!« Er klopfte mir herablassend auf die Schulter: »Dear boy, we are Professionals! Ich habe Elizabeth Taylor kleingekriegt - ich werde auch mit deinem Girl fertigwerden!«
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Guy Hamilton sah ziemlich geschafft aus und stöhnte
Wiederum ein paar Tage später nur traf ich den großen Kollegen Hamilton noch einmal im Hageneck und wiederum bei neuen Heringen und Salzkartoffeln. Er sah ziemlich geschafft aus und stöhnte nur: »Was hast du uns mit dieser Renzi bloß eingebrockt! Sie hat doch bei dir zum ersten Mal vor der Kamera gespielt, aber mir erzählt sie vor jeder Aufnahme, was ich alles falsch mache und wo die Kamera zu stehen hat!«
Ich lachte nur. Diese wunderbare, ganz unglaubliche Eva! Ich habe sie nach dem Funeral-Film noch einmal nach London begleitet, weil Saltzman einen »tollen Vertrag« mit ihr machen wollte.
Es sollte derselbe sein, den er Michael Caine gab: einen Siebenjahresvertrag für 50.000 Pfund (das waren 200.000 D-Mark) jährlich. Sie kam wütend auf ihren langen Beinen aus seinem Büro gerannt:
»Komm, wir gehen! Ich bin doch kein Bond-Girl!« Mir sollte es recht sein. Mir genügte, daß ich mit der Wahl der Renzi den Geschmack der größten Hollywood-Produzenten getroffen hatte.
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Auch Artur Brauner wollte Eva Renzi haben
Auch den eines deutschen Produzenten, wie Artur Brauner. Der klopfte eines Morgens oder Nachts - ich schlief jedenfalls - an den geschlossenen Fensterladen meines Schlafzimmers in Dahlem und wollte, typisch Brauner, zwischen Tür und Angel über einen Vertrag mit der Renzi verhandeln.
Bei Dunkelheit und im strömenden Regen! »Gehen Sie ein Haus weiter, zu Hubschmid!« sagte ich zu ihm. »Aber wieso?« rief er. »Sie haben doch Vertrag mit Renzi!« Er starrte mich wie einen Geisteskranken an, als er hören mußte: »Gott behüte - ich habe keinen Vertrag mit der Renzi!« - Er wollte es nicht glauben.
Ein Berliner Polizist in Zivil zeigte den guten Artur nach der Wende, als er im Schlaf Immobilien-Milliardär geworden war, wegen »Fundunterschlagung« an: Er hatte beobachtet, wie Brauner einen Hundertmarkschein auf der Straße fand, ihn küßte und einsteckte, anstatt ihn, wie das Gesetz es befiehlt, auf dem nächsten Polizeirevier abzugeben. Ich habe noch nie einen Hundertmarkschein gefunden. Aber ich bin ja auch kein Millionär.
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»Killroy was here«
Der legendäre Spruch heißt »Killroy was here« und ist amerikanischen Werftarbeitern zu verdanken, die im Zweiten Weltkrieg mit einem »Affenzahn« die sogenannten Liberty-Schiffe produzierten, will heißen: mit einer Affengeschwindigkeit.
Sie bezogen sich dabei auf einen robusten Iren namens Killroy, der neue Fertigungsmethoden erfand und, wichtiger noch, auch durchsetzte. Jeder neue Kahn für die Geleitzüge nach England trug am Bug die meist nur mit einem Stück Kreide geschriebenen Worte: KILLROY WAS HERE.
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Mein Bruder hatte für mich Kilian Rebentrost aufgetrieben
So etwas ähnliches, nämlich »Kilian was here« hätte ich auch auf meine Kellertür schreiben können, hinter der in den sechziger Jahren ein Student der Betriebswissenschaften namens Kilian Rebentrost saß und in Bergen von nicht abgehefteten Rechnungen und Quittungen wühlte, um wenigstens einen Hauch von Ordnung in die chaotische kaufmännische Seite der WILL TREMPER FILM GmbH zu bringen.
Mein Bruder, selbst Fünf-Prozent-Mitinhaber dieser GmbH, hatte Kilian irgendwo aufgetrieben und mit in den Gadebuscher Weg gebracht. Denn wer verstand schon etwas von der kaufmännischen, vor allem steuerlichen Seite einer Filmproduktion?
Nicht einmal Horst Wendlandt, der große Filmproduzent. Bei dem ging es mit Hilfe eines Buchhalters zwar geordnet zu, aber als seine RIALTO-Film immer erfolgreicher wurde - und richtig großes Geld vor der Steuer in Sicherheit gebracht werden mußte -, da fragte Horst mich eines Tages, ob ich nicht einen Betriebswirtschaftler kennen würde, der sich für die Filmbranche interessiere.
»Darf's auch ein Student sein?« fragte ich zurück.
So kam Kilian Rebentrost zu Horst Wendlandt und der RIALTO-Film und ist heute geschäftsführender Gesellschafter jenes TOBIS-Filmverleihs, den Horst Wendlandt nicht nur aus nostalgischen Gründen in den siebziger Jahren gegründet hat - schließlich hatte er bei der TOBIS mitten im Krieg als kaufmännischer Lehrling seine Karriere begonnen -, sondern vor allem aus finanziellen. Denn im Verleihgeschäft, nicht wahr, wird das große Geld gemacht.
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Meine Erinnerungen an Horst Wendlandt
Seit meinem ersten Film "Flucht nach Berlin" interessierte sich Horst Wendlandt für mich, lud mich regelmäßig ein, lieh mir, ohne viel zu fragen, auch mal Geld und ließ mich Drehbücher schreiben. Aber zu einer echten Zusammenarbeit, also zu einem Film, den ich für seine RIALTO inszenieren könnte, kam es erst Ende der 1960er Jahre.
Ich hatte, wenn ich ihn besuchte, stets das Gefühl, daß er mit mir herumalberte, mal dieses, mal jenes Thema ankratzte, aber wenn es ernst wurde, dann doch lieber mit Michael Pfleghar drehte.
Der hatte für ihn schon die Raquel-Welch-Episode in seinem "Ältesten Gewerbe der Welt" inszeniert, der war beim Fernsehen zuhause und für den wurde er auch als Produzent tätig, als Pfleghar seine Klimbim-Serie beim WDR in Köln drehte.
Mit seiner halben russischen Seele konnte Horst Wendlandt sich regelmäßig bis zu Tränen für eine Idee begeistern. So rief er mich eines Tages an und spielte mir Louis Primas Version des Schönen Gigolo vor.
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Schöner Gigolo, armer Gigolo
Er schluchzte vor Begeisterung: »Ist das nicht toll? Wie findest'n das?« Und als ich ebenfalls »Toll!« rief und ihm erzählte, ich hätte Louis Prima im Original schon in Las Vegas diesen Gigolo spielen hören, da gab's kein Halten mehr.
»Schreibst du mir das Drehbuch? Ich habe die Rechte an der Nummer gerade gekauft und eben mit Michi telefoniert, er kommt morgen nach Berlin!« Schon wieder Pfleghar!
Aber als der »Michi« dann kam und wir in meinem Lieblingslokal, dem Kopenhagen, ein paar Jubiläumsaquavit getrunken hatten, schlossen wir schnell Freundschaft. Wendlandt steckte uns in eine Suite im Hilton und erzählte uns am laufenden Band, wie der Film aus den zwanziger Jahren in Berlin auszusehen hätte, er sprühte vor Ideen.
»Ich seh' das schon direkt vor mir .!«
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Jeder bekam seine Begeisterung zu hören
Leider beschränkte er seine Begeisterung nicht auf seinen Autor und seinen Regisseur, sondern spielte den Schönen Gigolo auch jedem anderen vor, der ihn gerade besuchte.
Während wir es uns im Hilton auf Kosten unseres Produzenten gut sein ließen - Michael Pfleghar süffelte, als Mann von Welt, stets nur Champagner, ich begnügte mich mit Kaviar -, konnte Horst auch in München das Wasser nicht halten und erzählte am Stammtisch von Toni Netzle im Neuen Simpl wieder einmal die ganze Geschichte, wie wir sie uns in Berlin hatten einfallen lassen:
»Ist natürlich ein verarmter Adeliger, dieser Gigolo, so'n hängengebliebener Rittmeister aus dem Ersten Weltkrieg, ni' wahr? Und der verliebt sich nu' in die Sängerin von dem Kabarett, wo er als Eintänzer jetzt arbeitet, un' det is 'ne schöne Russin, so a la Olga Tschechowa, ni' wahr? Und die is' eifersüchtig und will nich, daß er mit dem kleenen Mädchen .«
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Einer erzählte Wendlandts Schmonzette zum Nächsten weiter
Unter seinen andächtigen Zuhörern saß eines Abends auch Rolf Thiele, der Regisseur, und der erzählte Wendlandts Schmonzette von dem Schönen Gigolo seinem Agenten Jaeger weiter, und der, nicht dumm, rief den Wiener Boheme-Musikverlag am Promenadenplatz an, der die Rechte an dem Schlager der zwanziger Jahre verwaltete, und erkundigte sich, ob die Verfilmungsrechte des Titels von Julius Brammer, Musik von Leonello Casucci, noch frei wären, insbesondere die Neuschöpfung des Amerikaners Louis Prima.
Es ging um die Rechte an dem Lied - hinter den Kulissen
»Da haben Sie aber Glück!« bekam er zu hören. »Die RIALTO-Film in Berlin hatte bis gestern eine Option darauf«, und, nach einer kurzen Pause, »vielleicht ist morgen eine Verlängerung in der Post!«
Aber wenn er jetzt gleich käme und das Geld für eine Option mitbrächte, fragte der Anrufer, dann hätte er doch die Option? - »Dann haben Sie sie!« lautete die Antwort.
Wieder zogen sich die Wochen hin, Tremper und Pfleghar arbeiteten an ihrem Drehbuch, Wendlandt ging herum und erzählte jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, von seinem tollen Projekt - und dann stand eines Tages der bekannte Regisseur Rolf Thiele im Büro der RIALTO und hatte ein Drehbuch bei sich, das "Schöner Gigolo" hieß.
»Was soll der Quatsch?« wird Horst Wendlandt ihn ausgelacht haben, ich war nicht dabei, doch erzählt hat er es mir später. »Am Gigolo habe ich die Rechte!«
»Hast du nicht«, antwortete Thiele.
»Hab ich doch!«
»Hast du nicht«, beharrte Thiele. Es war ein grausames Spiel, das er da mit Wendlandt trieb, der sich mit einem Blick in die Akten schließlich überzeugen konnte, daß er in seiner Euphorie das Verfallsdatum der Option verschlafen hatte.
Wendlandts letztes Argument klang kümmerlich: »Verschwinde mit deinem Drehbuch, weder ich noch meine Firma RIALTO-FIlm denken daran, es zu produzieren!«
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Die geklaute "Schöner Gigolo" Story hatte sich nicht ausgezahlt
Pfleghar stürzte davon, zu einer neuen Fernseharbeit, und Wendlandt und ich grübelten über eine Möglichkeit, dem Thiele doch noch seinen Gigolo zu vermasseln. Unser Stoff konnte jederzeit auch den Titel eines anderen Erfolgsschlagers der zwanziger Jahre tragen, zum Beispiel "Goodie Goodie for Me, Goodie Goodie for You!" - Wendlandt nahm wieder eine Option und hielt nunmehr den Mund.
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Marlene Dietrich - zwei Drehtage für 500.000 Mark Gage!
Aber dann sickerte die Nachricht durch, der gemeine Thiele hätte eine Finanzierung für seinen Film mit dem Titel "Schöner Gigolo" aufgetrieben - und Marlene Dietrich für die Rolle der russischen Sängerin gewonnen, zwei Drehtage für 500.000 Mark Gage!
Das wollten wir nun aber abwarten, die "Goodie Goodies for Me, Goodie Goodies for You!" welkten dahin, und Rolf Thiele bekam für seine Gigolo-Schurkerei schließlich mehr als den verdienten Lohn:
Marlene Dietrich in "Schöner Gigolo" wurde - ihr letzter Film, immerhin! - ein grauenhafter Mißerfolg, obwohl Thiele nicht selber Regie geführt, sondern den Briten David Hemmings dazu überredet hatte, und David Bowie die Titelrolle spielen ließ - neben Sydney Rome, Kim Novak und Maria Schell.
Rolf Thiele mußte es ausbaden - ganz schlimm
Rolf Thiele hat sich von diesem Eklat nie mehr erholt, wurde hinten und vorne gepfändet und rutschte buchstäblich ins soziale Elend ab, bettelte am Ende seine alten Freunde um etwas zu essen an.
»Es gibt noch Gerechtigkeit auf der Welt!« sprach Horst Wendlandt. Und dann haben wir auch noch einen Film zusammen gemacht.
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