Es gab in 1976 zwei Sonder-Bildbände mit den nachfolgenden Ausgaben / Heften der "Illustrierten Filmbühne"
Da in den Sonder-Ausgaben die originalen Heft- chen mit dem originalen Werbetext des Inhaltes (der Story) des jeweiligen Films - aber schräg - enthalten waren und dann noch an den Seiten und im Bund beschnitten sind, haben wir von der Publikation der Inhalte dieser broschierten Ausgaben abgesehen. Diese Heftchen oder Blättchen gab es nämlich an der Kinokasse einzeln (zu kaufen) - jeweils zu dem entsprechenden Film - angefangen 1946 bis 1969 (etwa 8069 Ausgaben). Unsere ehemals irrige Ansicht, diese Blättchen würden oder wurden von den Filmstudios oder den Film-Verleihern kostenlos als Werbung herausgegeben stimmte nicht. Alle diese Blättchen kamen von freien Verlagen ähnlich wie dem des Film-Echos in Wiesbaden.
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Illustrierte Filmbühne Kollektion I
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50 Hollywood-Filme (aus der Sicht von 1976)
mit einem Vorwort von Joe Hembus.
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Die Film-Bühne-Kollektion als Biografie des Movie-Fans
Als Schuljunge habe ich jahrelang, nämlich von 1946 bis 1953, die lllustiieite Film-Bühne gesammelt. Es war eine schöne Sammlung; eines Tages habe ich sie sogar in einem Do-it-yourself-Lumbeckverfahren gebunden, unter Verwendung von viel Alleskleber.
Dann war die Schulzeit und die glückliche Kino-Jugendzeit zu Ende. In einer momentanen Verwirrung beschloß ich, etwas Richtiges zu lernen, wurde zum kaufmännischen Lehrling und verließ Elternhaus und Heimat, das hessische Kronberg (Taunus), das wesentlich aus den „Kronberger Lichtspielen" der Familie Hirsch bestand (und noch besteht).
Wie groß die Verwirrung war, mag man daraus ersehen, daß ich damals meine Film-Bühne-Kollektion meinem jüngeren Bruder schenkte. Später merkte ich dann, daß ich damit den wichtigsten Teil meiner Biografie verschenkt hatte.
Noch viel später legte ich ohne Besinnen ein paar tausend Mark auf den Tisch, als sich die Gelegenheit bot, einen kompletten Satz der 8069 Ausgaben der Illustrierten Film-Bühne zu bekommen, die von 1946 bis 1969 erschienen sind.
Da überfiel mich der tiefe Frieden und das große Glück: ich hatte meine Biografie als Movie-Fan wieder beieinander.
Zum "fünftenmal" „Mutige Frauen"
Plötzlich wußte ich wieder, wie das Wetter an dem Tag war, als ich zum fünftenmal „Mutige Frauen" sah, ein Durchhaltefilm mit Claudette Colbert, Paulette Goddard und Veronica Lake, der mich schwer mitgenommen hat.
Ich erinnerte mich wieder an das Frankfurter Kino, in dem ich zum erstenmal „Moderne Zeiten" gesehen hatte, sogar an die ungewöhnlich große Erdbeernase des Platzanweisers.
Der Tag, an dem ich mich in Greer Garson verliebte, unter dem Eindruck von „Stolz und Vorurteil", war derselbe Tag, an dem unser Mathematiklehrer mir versicherte, ich werde das Abitur nie schaffen (zu Unrecht, mit einer Fünf in Mathematik kam ich trotzdem durch).
Als ich aus der Nachmittagsvorstellung von „Tom, Dick und Harry" nach Hause kam, kochte meine alte Großmutter zum letzten Mal in ihrem Leben „Arme Ritter".
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„Rosen-Resli" - ein Markstein meines Lebens
„Rosen-Resli" mit der kleinen Christine Kaufmann: ein Markstein meines Lebens - ich war inzwischen in der Presseabteilung des Constantin-Verleihs gelandet, und dies war der erste Film, zu dem ich die Inhaltsangabe schreiben durfte; ein früher Höhepunkt des Berufslebens: ich war sozusagen ein Mitarbeiter der Illustrierten Film-Bühne geworden.
An eine derart steile Karriere hätte ich nie zu träumen gewagt, als ich die erste Film-Bühne kaufte.
Das war im September 1946 das Programm zu „Goldrausch", der Kaufpreis war 10 Pfennig; wir sind damals kilometerweit zu dem nächsten Ort gelaufen, der ein Wirtshaus mit Projektionseinrichtung hatte, und nach der Vorführung genehmigten wir uns noch eines der obskuren Getränke, die es damals gab, ich glaube, es hieß Warmgetränk.
Von Verleger Paul Franke gegründet
In diesen alten Zeiten und also noch lange, bevor ich selbst die höheren Weihen des Berufslebens empfing und mich selbst mit Inhaltsangaben in der Film-Bühne gedruckt sehen durfte, habe ich mir natürlich immer versucht vorzustellen, wer diese einzigen materiellen Erinnerungsstücke an die Stunden im Dunkel hervorbringt, und wo und wie, und was das Kino mit den Exemplaren macht, die es nicht verkaufen kann, und was einen halt so interessiert. Inzwischen weiß ich das alles und kann es weitergeben.
Die Illustrierte Film-Bühne wurde 1946 in München von dem inzwischen 94 Jahre alten Verleger Paul Franke gegründet, einem Pionier dieses Zweigs der Kino-Publizistik, der schon vor und im Krieg Kino-Programme gemacht hatte und sich erinnert, daß Hitler selbst ihm einmal androhte, er werde seinen Laden dicht machen, falls er weiter so judenfreundliche Programme mache, in denen ungeniert Namen wie Lubitsch und Stroheim genannt werden.
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Das Bildmaterial kam von den Filmverleih-Firmen
Für die Herstellung der Film-Bühne bekam der Verlag von den Filmverleih-Firmen das Bildmaterial, die Inhaltsangabe, die Darstellerliste, die Originaltitel und das Herstellungsjahr des jeweiligen Films geliefert.
Dann hatten die Grafiker der Film-Bühne das Wort und freie Hand, zur Auswahl standen Blau, Grün, Braun und Rot, die Farben, die einem sofort vor Augen stehen, wenn der Name Film-Bühne fällt.
Was die Herstellungsabteilung nicht wissen konnte, war die häufige nachträgliche deutschfreundliche Überarbeitung ursprünglich deutschfeindlicher alliierter Kriegsfilme; das Programm, das ja pünktlich zur Premiere da sein mußte, basierte deshalb noch auf dem ausländischen Original-Pressematerial und stimmte dann häufig mit der Deutschland-Fassung des Films nicht mehr überein, was natürlich auch eine hübsche verräterische Pointe hatte (wie „Casablanca" mit Humphrey Bogart und Hitchcocks „Weißes Gift").
Es begann ganz klein mit etwa 4000 Exemplaren
Die Auflagen der ersten Programme waren gering: eines der größten Probleme der Nachkriegszeit war die Papierknappheit, so bestanden manche Nummern nur aus einem Blatt und waren als Notausgabe bezeichnet, manchmal bekam man die Hefte nur im Umtausch gegen Altpapier.
Doch mit der damaligen Kino-Hoch-Zeit kletterten die Auflagenzahlen schnell bis in die Hunderttausend und überschritten bei den typisch deutschen Erfolgsfilmen der Zeit manchmal die Million (den Rekord hält der „Förster im Silberwald").
Hier zeigte sich auch der Verlag großzügig und erweiterte den üblichen Umfang des Programms von vier Seiten auf sechs, zum Teil sogar auf acht Seiten.
1954 setze der Niedergang ein
Der Niedergang der Film-Programme setzte mit dem fatalen Jahr 1954 ein, als das Fernsehen kam, und mit ihm die Fernsehprogramme, die natürlich nichts mehr vom Flair einer Illustrierten Film-Bühne haben.
Bis zu diesem Jahr wurde grundsätzlich von jedem Film, der herauskam, ein Programm gemacht. Mit dem Fernseh-Boom und der korrespondierenden Kinokrise hörte das auf, und von da ab wurde in Verleger Frankes Vorstand abgestimmt, ob es sich lohnen würde, ein Programm herauszubringen.
Rapide fielen auch die Auflagenzahlen, ganze 4.000 Stück wurden nur noch von einer Nummer produziert und selbst bei dieser geringen Auflagenhöhe wurde von den Kinos noch remittiert.
Die Film-Bühne war zu einem Defizit-Unternehmen geworden, in das Paul Franke nun 18.000 bis 30.000 Mark pro Programm zuschießen mußte.
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Nochmal ein kurzer Aufschwung
Zwei letzte Erfolge gab es noch, die dem Verlag finanziellen Aufschwung brachten, „Vom Winde verweht" und „Dr. Schiwago", dann war die Kasse leer und die Illustiieite Film-Bühne, ein kommerzielles Unternehmen, das von den Verleih-Firmen nicht unterstützt wurde, mußte nach der 8069. Nummer das Erscheinen einstellen.
Die Kinder-Frage, was das Kino mit Exemplaren macht, die es nicht verkaufen kann, hat sich mir später schmerzlich beantwortet: sie wurden an den Verlag zurückgegeben und da es zu immer höheren Remittendenzahlen kam (oft wurden von zehn acht wieder zurückgeschickt) fand einmal im Jahr beim Verlag eine riesige Vernichtungsaktion statt. Das hätte man wissen sollen.
Diese einmalige Dokumentation als Reprints herausbringen
Die Verlegerin Monika Nüchtern, die auf den glücklichen, längst fälligen Gedanken kam, Frankes Kino-Programme in Reprints herauszubringen, hat natürlich völlig recht, wenn sie sagt, daß die Illustrierte Film-Bühne eine einmalige Dokumentation der Filmgeschichte im Spiegel der deutschen Nachkriegs-Kinogeschichte ist.
Die vorliegende Ausgabe, die dem Hollywood-Film gewidmet ist, vermittelt den Einblick, wie diese großen ausländischen Filme mit ihren Super-Stars an das deutsche Kinopublikum herangetragen wurden.
Noch wichtiger aber ist es, daß mit dieser Wiederveröffentlichung die Biografie der schönsten Kinojahre unseres Lebens komplettiert wird.
Juni 1976 Joe Hembus (11. Mai 1933; † 21. April 1985)
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Illustrierte Film- Bühne Nr. | Titel___________________________________________ | Anlaufjahr im Ursprungs- land | Erstauf- führung in DE |
4 | Goldrausch THE GOLD RUSH | 1925 | 1946 |
13 | Die Spur des Falken THE MALTESE FALCON | 1941 | 1946 |
236 | Die Frau mit den zwei Gesichtern TWO FACED WOMAN | 1941 | 1948 |
331 | Ninotschka NINOTSCHKA | .1939 | 1949 |
346 | Im Zeichen des Zorro THE MARK OF ZORRO | 1940 | 1949 |
365 | Das Haus der sieben Sünden SEVEN SINNERS | 1940 | 1949 |
550 | Gilda GILDA | 1946 | 1950 |
763 | König der Toreros BLOOD AND SAND | 1941 | 1950 |
617 | Skandal in der Oper A NIGHT AT THE OPERA | 1935 | 1950 |
512 | Der dritte Mann THE THIRD MAN | 1949 | 1950 |
789 | Wem die Stunde schlägt FOR WHOM THE BELL TOLLS | 1943 | 1950 |
867 | Die rote Lola STAGE FRIGHT | 1950 | 1951 |
1033 | Es tanzt die Göttin COVER GIRL | 1944 | 1951 |
1202 | Königin Christine QUEEN CHRISTINA | 1933 | 1951 |
1374 | Shanghai Express SHANGHAI EXPRESS | 1932 | 1952 |
1387 | Endstation Sehnsucht A STREET CAR NAME DESIRE | 1951 | 1952 |
1400 | Die Kameliendame ,.CAMILLE" | 1937 | 1952 |
1510 | King Kong und die weiße Frau KING KONG | 1933 | 1952 |
1613 | Casablanca CASABLANCA | 1942 | 1953 |
1628 | Viva Zapata VIVA ZAPATA | 1952 | 1953 |
1783 | Alice im Wunderland ALICE IN WONDERLAND | 1951 | 1953 |
1718 | Mata Hari MATA HARI | 1931 | 1953 |
1786 | 12 Uhr mittags HIGH NOON | 1952 | 1953 |
1814 | Anna Karenina ANNA KARENINA | 1935 | 1953 |
2248 | Blondinen bevorzugt GENTLEMEN PREFER BLONDES | 1953 | 1954 |
2312 | Menschen im Hotel GRAND HOTEL | 1932 | 1954 |
2318 | Starr vor Angst SCARED STIFF | 1953 | 1954 |
2378 | Wenn Frauen hassen JOHNNY GUITAR | 1954 | 1954 |
M59 | Fluß ohne Wiederkehr RIVER OF NO RETURN | 1954 | 1954 |
2542 | Die Faust im Nacken ON THE WATERFRONT | 1954 | 1954 |
2581 | Sabrina SABRINA | 1954 | 1955 |
2673 | Der Wilde THE WILD ONE | 1953 | 1955 |
2828 | Jenseits von Eden EAST OF EDEN | 1955 | 1955 |
2901 | Das verflixte 7. Jahr THE SEVEN YEAR ITCH | 1955 | 1955 |
2951 | Daddy Langbein DADDY LONG LEGS | 1955 | 1955 |
3042 | Die linke Hand Gottes THE LEFT HAND OF GOD | 1955 | 1955 |
3191 | Moderne Zeiten MODERN TIMES | 1936 | 1956 |
3192 | Der Mann mit dem Goldenen Arm THE MAN WITH THE GOLDEN ARM | 1955 | 1956 |
3211 | ... denn sie wissen nicht, was sie tun REBEL WITHOUT A CAUSE | 1955 | 1956 |
1468 | Ich kämpfe um dich SPELLBOUND | 1945 | 1952 |
3346 | Schmutziger Lorbeer THE HÄRDER THEY FALL | 1956 | 1956 |
3490 | Bus Stop BUS STOP | 1956 | 1956 |
3572 | In den Wind geschrieben WRITTEN ON THE WIND | 1957 | 1957 |
3573 | Giganten GIANT | 1956 | 1957 |
4166 | Rhythmus hinter Gittern JAILHOUSE ROCK | 1957 | 1958 |
3651 | Schlagerpiraten THE GIRL CANT HELP IT | 1957 | 1957 |
3656 | Frankenstein FRANKENSTEIN | 1931 | 1957 |
4252 | African Queen THE AFRICAN QUEEN | 1951 | 1958 |
2766 | Vera Cruz VERA CRUZ | 1954 | 1955 |
3914 | The Kid THE KID | 1921 | 1957 |
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Illustrierte Filmbühne Kollektion II
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50 deutsche Nachkriegsfilme von 1946 -1960
Mit einleitenden Worten von Maria Schell und Joe Hembus
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Filme sind ein Ausdruck ihrer Zeit
Filme sind ein Ausdruck ihrer Zeit, wenn es Produzenten gibt, die sie machen, und ein Publikum, das sie sehen will. Als der deutsche Nachkriegsfilm seine Höhepunkte hatte, waren die Voraussetzungen ganz anders als sie heute sind. Es war eine große Zeit des deutschen Films.
Die große Zeit des Films überhaupt.
Einmal in der Woche ins Kino zu gehen, war wie ein Fest. Aber kann man jeden Tag Feste feiern? Kann man sieben Filme an einem Wochenende sehen, nur weil das Fernsehen das heute möglich macht? Ist die Erlebniskraft des Menschen nicht doch begrenzt? Wir sitzen heute wie vor einem ewig vollen Tisch und können nicht mehr hungrig werden.
Niemand ist schuld daran, niemand als die Zeit selbst. Und langsam bleibt uns aus dem allzu Vielen nur die Wahl zu wählen. Man könnte die Worte „Sage mir, mit wem du gehst und ich sage dir, wer du bist" abändern in „Sage mir, was du liest, welche Filme du siehst, und was du am Fernsehen vermeidest."
Die Probleme, die Sehnsüchte und die Wunden einer Zeit
Filme sind der Ausdruck, die Probleme, die Sehnsüchte und die Wunden einer Zeit, und es bleibt eine scheinbar ewige Wahrheit, daß wir in der Not die Werte des Lebens suchen, und in Zeiten der Sorglosigkeit selbst wieder zerstören müssen.
„Opas Kino" brachte viele gute Filme in die deutschen Kinos, und das weiß man heute schon wieder. Und man weiß auch, daß Literatur aus zweitausend Jahren, ausgeschöpft und verbraucht wie Bodenschätze in der kurzen Geschichte des Films und des Fernsehens, sich nicht ersetzen läßt - nicht schnell genug für den rasenden Verbrauch unseres auch geistigen Überkonsums.
Und dennoch: - wie viele Probleme gäbe es zu gestalten, wie sehr können Filme dazu beitragen, die Welt zu verbessern, genauso wie sie dazu beitragen können, sie zu verschlechtern, sie im Traurigen und Negativen so lange zu dokumentieren, bis keiner mehr einen Ausweg sieht, keinen Trost, außer dem, nicht dabeigewesen zu sein. Und dennoch: Wie gerne würde und werde ich Filme machen -- und mit mir alle Schauspieler - wie diese in dem Buch der alten Filmprogramme, die irgendeinen Menschen an irgendeinem Abend veranlassen werden, zu sagen: „Das war ein schöner Abend."
Februar 1977 Maria Schell (15.Jan.1926 ; † 26.April 2005)
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Die Illustrierte Film-Bühne als Wachsfiguren-Kabinett des deutschen Nachkriegsfilms
Wenn ich mir das ansehe, diese Filmprogramme zu fünfzig deutschen Produktionen aus den Jahren 1946 bis i960, dann habe ich schon genug: So eine Kollektion ist ja ideal geeignet und absolut ausreichend, um diese Epoche des Filmschaffens zu konservieren. Da braucht man nicht eigens ein Film-Museum aufzumachen und die paar Hundert Kilometer belichtetes Zelluloid einlagern, die dieses Filmschaffen ausmachen.
Viel besser, man verdrängt einfach die Vorstellung, daß es diese Filme tatsächlich einmal gegeben hat; viel besser, man macht sich einfach vor, irgendein Doktor Spalanzani habe sie in seinen Wahnträumen heruntergekurbelt; viel besser, man hinterläßt sie der Nachwelt nur in effigie, als Wachsfiguren-Kabinett oder, weil das viel mediengerechter ist, als schönen Sammelband der Illustrierten Film-Bühne in glühenden Originalfarben.
So macht man das Gräßliche zwar nicht ungeschehen, aber wenigstens gibt man ihm einen Hauch von Unwirklichkeit.
Warum es der deutsche Film einfach nicht schafft ......
Damals haben wir uns ja wirklich sehr erregt und ganze Bücher über die schmerzende Frage geschrieben, warum es der deutsche Film einfach nicht schafft, besser zu sein. Heute leisten wir es uns einfach, nostalgisch gerührt festzustellen, daß der westdeutsche Nachkriegsfilm gar nicht aktiv schlecht war, sondern einfach nur komisch. Am komischsten natürlich immer dann, wenn er sich ernst nahm und auch ernst genommen wurde.
Welche Freude, auf das Spektakel zurückzublicken, das ein Film wie „Die Sünderin" verursachte, ein heillos chaotisches Melodram, das zum offiziösen Status eines „Schandfilms" gelangte und mit Feuer und Schwert verfolgt wurde, nur weil Hildegard Knef mal die physische Frivolität begeht, pseudonackt baden zu gehen, und dann noch die sittliche Frivolität, ihrem kaputten Kerl einen ewigen Schlummertrunk zu mischen.
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Als damals geistliche Herren Stinkbomben warfen
Dann haben wir im selben Genre, nur von der ideologischen Gegenposition aus hervorgebracht, einen Film wie „Die Nachtwache". Bei der „Sünderin" warfen damals geistliche Herren Stinkbomben und ließen diejenigen ihrer Pfarrkinder aufnotieren, die es wagten, das teuflische Werk zu besichtigen.
Bei der „Nachtwache" hieß der Slogan, mit oberhirtlicher Genehmigung, „Der Film, in den man seinen liebsten Menschen mitnimmt"! Das waren vielleicht liebe Menschen damals, die haufenweise in einen Film liefen, um sich anzusehen, wie einige sonderbare Heilige in den Kulissen eines angeblich neuen Deutschlands herumlaufen und theologisch radebrechend Kommunikations-Versuche betreiben.
Alles freute sich, auch die Kritiker; nur Karl Korn von der FAZ hob den strengen Finger und sprach: „Nachtwachen werden schweigend gehalten!" Korn war damals ein Mann, der diesen Filmemachern wirklich auf die Finger schaute. Als ein Film wie „Meines Vater Pferde" restaurative Behaglichkeit in den Kinosälen verbreitete, fuhr er gleich mit einem Leitartikel dazwischen, überschrieben: „Hatte Ihr Vater Pferde?"
Prestige-Filme mit Anliegen oder gleich purer Humbug
Prestige-Filme mit Anliegen, darauf kaprizierte sich der deutsche Nachkriegsfilm am liebsten, wenn er es nicht gleich sinnvoller fand, sich dem puren Humbug hinzugeben.
Ein Anliegen ist zum Beispiel die unbewältigte Vergangenheit, was ein euphemistischer Ausdruck ist, ähnlich wie „In jenen Tagen" (Filmbühne No. 24) und „Gestern", wie in „Zwischen Gestern und Morgen" (Filmbühne No. 33). Der Trick beim Bewältigen der Vergangenheit war einfach der, daß man sich auf der Leinwand ausmalte, das 3. Reich sei großenteils durch gute Menschen bevölkert gewesen, die gute Werke getan hätten.
Diese gute Absicht hat allerdings einige Nörgler bös verstimmt. Über „Zwischen Gestern und Morgen" schrieb ein Ernst Huth: „Es ist unverständlich und ekelhaft, daß man einem routinierten, beflissenen Zelluloidschuster erlaubt, die brennendsten Probleme unserer Tage in einer melodramatischen ,Menschen im Hotel'-Szenerie verkitscht, verbogen und verlogen vorzufilmen."
Es hat damals sehr am Humor beim Genießen deutscher Filmkunst gefehlt. Aber im Titelschlager des Films von Filmbühne No. 56 singt dann Hans Albers bereits „Denn über uns der Himmel läßt uns nicht untergehen!", der rückwärts gewandte Euphemismus verbindet sich mit einem vorwärts gewandten Optimismus.
Und schon sind die Trümmer des sogenannten Trümmerfilms nicht mehr ein Stück unbewältigter Vergangenheit, sondern Bausteine eines bewältigten Wirtschaftswunders und der heilen Welt des Heimatfilms: „Grün ist die Heide", und sie bietet selbst einem vertriebenen ostpreußischen Herrn, der seine Jagdgründe verloren hat und im Wildern auf Heide-Hirsche seinen Lustgewinn suchen muß, schließlich ein neues Revier.
Gute Merkmale : schlecht gemeint und schlecht gemacht
Wirklich gut am westdeutschen Nachkriegsfilm ist nur das, was schlecht gemeint und schlecht gemacht ist: die Art von Produktion, bei der die Infantilität der Absichten der Infantilität der Konfektion proportional ist und die damit auf ganz legitime Weise das drückt, was Sergio Leone „die Taste der Infantilität" beim Zuschauer nennt.
Das ganze Genre vom „Förster vom Silberwald" über „Rosen-Resli" und „Die Mädels vom Immenhof" bis zu „Liane, das Mädchen aus dem Urwald" besteht fast nur aus Gipfelleistungen, ist hochgradig vollendet und zum Weinen schön.
Wir haben diese Werke damals irgendwie nicht richtig genießen können, der Zugang dazu war uns verbaut, vielleicht waren sie nicht zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt, so wie sie da aus deutschen Landen frisch auf den Tisch kamen.
Aber inzwischen sind sie (oder wir) ausgereift und wirklich genießbar. Ich warne vor deutschen Nachkriegsfilmen, die von den besten Absichten und künstlerischem Streben beseelt sind. Aber bei einem echten Rudolf Prack würde ich jederzeit zuraten.
Januar 1977 Joe Hembus (11. Mai 1933; † 21. April 1985)
Illustrierte Film-Bühne Nr. | Titel______________________________________ | Jahr der Uraufführung | |
24 | In jenen Tagen | 1947 | |
33 | Zwischen Gestern und Morgen | 1947 | |
56 | . . . und über uns der Himmel | 1947 | |
69 | Film ohne Titel | 1948 | |
241 | Die Mörder sind unter uns | 1946 | |
249 | Der Apfel ist ab | 1948 | |
347 | Der Ruf | 1949 | |
348 | Affaire Blum | 1948 | |
350 | Hallo Fräulein | 1949 | |
363 | Berliner Ballade | 1948 | |
447 | Nachtwache | 1949 | |
678 | Gabriela | 1950 | |
775 | Der Theodor im Fußballtor | 1950 | |
805 | Duell mit dem Tod | 1950 | |
905 | Epilog/Das Geheimnis des Orplid | 1950 | |
928 | Duell in den Bergen | 1950 | |
1009 | Das doppelte Lottchen | 1950 | |
1030 | Die Sünderin | 1951 | |
1185 | Abenteuer im Roten Meer | 1951 | |
1286 | Weiße Hölle Montblanc | 1951 | |
1334 | Grün ist die Heide | 1951 | |
1418 | Nachts auf den Straßen | 1951 | |
1598 | Toxi | 1952 | |
1708 | Alraune | 1952 | |
1804 | Im Weißen Rößl | 1952 | |
1827 | Illusion in Moll | 1952 | |
2344 | Rosen-Resli | 1954 | |
2510 | 08/15 | 1954 | |
2627 | Ludwig IL | 1955 | |
2677 | Der Förster vom Silberwald | 1954 | |
2687 | Des Teufels General | 1955 | |
2825 | Die Ratten | 1955 | |
2827 | Solang' es hübsche Mädchen gibt | 1955 | |
2848 | Laß die Sonne wieder scheinen | 1955 | |
2879 | Die Mädels vom Immenhof | 1955 | |
3089 | Sissi | 1955 | |
3121 | Charley's Tante | 1956 | |
3148 | Ein Mädchen aus Flandern | 1956 | |
3435 | Die Halbstarken | 1956 | |
3445 | Die Trapp-Familie | 1956 | |
3471 | Liane, das Mädchen aus dem Urwald | 1956 | |
3625 | Rose Bernd | 1957 | |
3904 | Nachts, wenn der Teufel kam | 1957 | |
39H | Haie und kleine Fische | 1957 | |
4419 | Das Mädchen Rosemarie | 1958 | |
4456 | Wir Wunderkinder | 1958 | |
4560 | Helden | 1958 | |
4618 | Wenn die Conny mit dem Peter | 1958 | |
4951 | Rosen für den Staatsanwalt | 1959 | |
5024 | Die Brücke | 1959 |
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