1956 - Vorbemerkung zu den Bildern von Heinrich Fraenkel
Die Zahl der Stummfilme geht in die Zehntausende, die der recht wesentlichen in die vielen Hunderte. Ganz zu schweigen von den tausend Persönlichkeiten, die sie geschaffen haben. Auch der schüchternste Versuch zur „Vollständigkeit" hieße also, eine Art Telephonbuch nebst Bilderkatalog zu bieten.
Das wäre nicht nur für den Leser langweilig, sondern auch für uns eine höchst überflüssige Fleißarbeit. Um ein in so vielen Facetten schillerndes und leuchtendes Thema wirklich „einleuchtend" zu gestalten, muß man sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Aber was ist das Wesentliche ?
Wir haben gewiß manches ausgelassen, das einem strengen Historiker wesentlich schiene: die Kriegsfilme zum Beispiel, also ein Komplex, der immerhin vier der von uns behandelten dreißig Jahre umfaßt, oder die schon längst zum filmgeschichtlichen Begriff gewordene Periode der „Aufklärungsfilme" gleich nach dem Ersten Weltkrieg.
Wir haben kein einziges jener in so vielen Büchern zu findenden „schlüpfrigen" Bilder gebracht, womit gewiß nicht gesagt sei, daß wir prüde sind; wir bringen auch kein einziges feldgraues Bild, obgleich wir keineswegs den Patriotismus verdammen.
Wir haben sowohl auf die einen wie die anderen Bilder verzichtet aus dem einfachen Grund, weil sie uns nicht gefallen. Dieser Verzicht fiel uns also leicht.
Mehr über den Verzicht . . . .
Sehr viel schwerer fiel er uns im Falle des einen oder anderen großartigen Films, den wir schließlich doch aus dem Bilderteil verbannen mußten, weil keines der unbewegten Einzelphotos eben jene Großartigkeit widerspiegelte, die wir von dem Film in der Erinnerung tragen. Wir haben uns erlaubt, in der letzten Siebung der Tausende von Bildern, die in Erwägung kamen, sehr selbstherrlich zu sein, und haben schließlich mit Vorliebe diejenigen gewählt, die uns und unseren Freunden Freude machten.
Unsere „Vorlieben"
Das Wort „Vorliebe" ist hier ganz wörtlich zu verstehen, denn eben diese Bilder erinnerten uns daran, daß wir manch einen der Filme, die sie darstellen, geliebt haben und auch manch einen der Menschen, die sie geschaffen haben.
Wir haben sie geliebt, weil sie schön waren oder anmutig oder lustig oder bedeutend oder erschütternd und weil sie etwas Glanz und Erregung und Freude in den Alltag trugen. Und wir haben uns jetzt abermals gefreut, diese alten Jugendfreunde wiederzusehen.
Über die Erinnerungen und Empfindungen
Wenn bei den Lesern, die alt genug sind, den Stummfilm selbst erlebt zu haben, ähnliche Erinnerungen und Empfindungen erweckt werden, dann hat dieses Buch seinen Sinn erfüllt; und doppelt erfüllt, wenn es der jungen Generation den für sie schon durchaus historischen Begriff des Stummfilms mit etwas Licht und Farbe und Leben füllt und mit dem Abglanz eben jenes Glanzes, der uns Älteren unsere Jugend verschönte.