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Filmgeschichte(n) und Filmchronik(en) - Von 0 bis 1957

überarbeitet, korrigiert und kommentiert von Gert Redlich im Juli 2016 - Hier findenSie die bislang umfangreichste und detailierteste Historie der weltweiten Entwicklung des Films, der Filmwirtschaft (und des Kinos). Der Deutsch-Engländer Heinrich Fraenkel (geb. 1897) war hautnah dabei gewesen und beschreibt 1956/57 zwei weltweite Epochen des Films : Es beginnt mit -- Teil I -- "Von der Laterna Magica bis zum Tonfilm" und geht weiter mit -- Teil II -- "Vom Tonfilm bis zum Farbfilm"

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Teil II - KAPITEL 13
"VOM FILM IM WIRTSCHAFTSWUNDERLAND"

Von einem Geburtstag, der gefeiert werden durfte / Von einem mit Auslandsware überfütterten Markt / Von der geistigen Auseinandersetzung mit dem Kriegserlebnis / Von Zuckmayer und Käutner / Von guter Teamarbeit in Hamburg / Von einem Regisseur, der den Ost-West-Konflikt ignorieren durfte / Von der Filmstadt Göttingen / Von gediegenen Stoffen und von einem Regisseur mit der leichten Hand / Von der Freude an Schnulzen / Von Kritikern, die mit Kanonen nach Spatzen schießen / Von Künstlern und ihren Kaufmännern / Von einem Produzenten, der an Berlin glaubte / Von jugendlichem Liebreiz und jungen Könnern / Von betrüblichem Außenhandel zwischen Ost und West / Vom Testament eines Dichters, der den gesamtdeutschen Film voraussetzte

"Unsere" vertraute Vorliebe für Geburtstage

Es gibt Menschen, die nicht „die Feste feiern wie sie fallen", sondern es vorziehen, zu jubilieren, wann immer ihnen festlich zumute ist (das sind wahrscheinlich die genußfähigsten Menschen); aber zumeist richten wir uns treu nach dem Kalender, wir feiern brav die dort angekreuzten Tage, und wir haben eine von Kindheit an vertraute Vorliebe für Geburtstage.

Als die nach dem Kriege neugeborene deutsche Filmindustrie im Laufe des Jahres 1956 ihr erstes Jahrzehnt vollendet hatte, bot dies den deutschen Filmschaffenden Grund zu Rückblick und Ausblick.

Seitdem ist wieder einige Zeit vergangen, wir marschieren schon eifrig ins zweite Jahrzehnt, und für den selber auf Rückblick und Ausschau bedachten Chronisten mag es nützlich sein, sich die Gedanken zu vergegenwärtigen, von denen die deutschen Filmschaffenden zu jener „Jubiläums"-Zeit bewegt waren.

Stolz auf die Errungenschaften dieses Jahrzehnts ?

Daß die Rückblickstimmung unsentimental war und die Ausschaugedanken von einer gesunden Skepsis gelenkt wurden, scheint mir ein gutes Zeichen.

Zehn Jahre vorher, als die deutsche Filmindustrie noch unter Schutt und Asche begraben lag, durfte man sich beim Wiederaufbau keine Skepsis leisten. Jetzt mußte man es wieder. Das war ein Fortschritt. Aber konnte man nicht auf die Errungenschaften dieses Jahrzehnts stolz sein? War das kein Grund zur Zufriedenheit?

Stolz vielleicht - Zufrieden nein

Grund zum Stolz vielleicht. Grund zur Zufriedenheit nicht. Ein begreiflicher Grund zum Pessimismus dagegen schien durch die ominöse Tatsache gegeben, daß schon die ersten Monate des zweiten Jahrzehnts die Zahlungseinstellung einer großen Firma gebracht hatten und daß von weiteren Schwierigkeiten gemunkelt wurde.

In einem Jahr : 496 abendfüllende Spielfilme

Ein tieferer Grund lag darin, daß viel zu viele Filme auf den Markt kamen. 496 abendfüllende Spielfilme in der Verleihsaison 1955/56, das war etwa doppelt so viel wie der Markt auswerten konnte. Immerhin handelte es sich dabei in der Mehrzahl um ausländische Filme, darunter 211 amerikanische, 36 französische, 31 italienische, 20 französisch-italienische Co-Produktionen und 26 englische.

Nur 124 Filme dieses enormen Jahresangebots waren deutsch, oder 128, wenn man die vier aus dem „Ausland" der D.D.R. „importierten" Filme mitrechnet.

Mehr als in den Vorkriegsjahren und steigende Kinodichte

Aber war nicht diese Produktionsziffer erfreulich? War man damit nicht auf dem Wege, die Produktionsziffern aus den Vorkriegsjahren zu erreichen? Man war es.

Man hatte schon die frühere deutsche Kinodichte des Bundesgebietes erreicht, und auch da gab es eine stetig steigende Tendenz. Man hatte auch schon wieder einen Filmexport, der sich von nullkommanull in den ersten Nachkriegsjahren zu fast 4 1/2 Millionen im Verleihjahr 1951/52, über sieben Millionen und über 11 Millionen in den nächsten beiden Jahren und fast 14 1/2 Millionen (West-) Mark im Verleihjahr 54/55 gesteigert hatte. Das waren zwar noch recht bescheidene Ziffern, aber die Tendenz war ebenfalls steigend.
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Sogar die Dfea war erfolgreich

Übrigens darf der nicht so sehr auf die politische Zerrissenheit Mitteleuropas als auf die deutsche Filmgeschichte bedachte Chronist nicht verschweigen, daß die Defa ebenfalls eine stattliche Liste von Exporterfolgen ausweist; daß sie in den ersten zehn Jahren hundert Filme herstellte (von denen einige recht beachtlich sind); und daß auch östlich der Elbe die „Kinodichte" längst die der Vorkriegszeit erreichte.

Genug der Statistik.

Ziffern sind wichtig, um eine Entwicklung verständlich zu machen, aber wichtiger ist die Kenntnis der Leistungen, mit denen es gelang. Doch bevor wir uns die schöpferischen Menschen der neuen deutschen Filmindustrie anschauen bleibt kurz zu untersuchen, ob sich die Struktur der Industrie geändert hat.

Über die Struktur der (Film-) Industrie

Sie hat sich geändert, da sie sich unvermeidlicherweise der dezentralisierten Entwicklung anpassen mußte, die dem Aufbau aus den chaotischen Anfängen beschieden war.

Die Dezentralisation war nicht nur durch den Ost-West-Konflikt und die Spaltung Deutschlands und demnach auch des deutschen Filmaufbaus bedingt, sondern zunächst sogar innerhalb der „Trizone" unvermeidlich; später blieb sie innerhalb der Bundesrepublik beibehalten und wurde konstant.

Bis 1946 gab es nur 2 Filmstandorte in Deutschland

Während es also in der mehr als vierzigjährigen Existenz der deutschen Filmindustrie bis zum Jahre 1946 in Berlin und München immer nur diese beiden Standorte gab, sind im Teilgebiet der Bundesrepublik noch mindestens drei weitere dazugekommen.

Es hat sich freilich herausgestellt, daß die wirtschaftliche Struktur der deutschen Filmindustrie durch die Dezentralisation der Produktionsstätten auf die Dauer nicht wesentlich beeinflußt wird. In der organisatorischen Struktur dagegen gibt es einige wesentliche Neuerungen.

Die alte „Spio" und die neue „Freiwillige Selbstkontrolle"

Die Spitzenorganisation, also die alte „Spio", ist neu erstanden und ihr hat sich nicht nur eine Bewertungsstelle mit einem erprobten Prädikatsystem angegliedert, sondern auch die „Freiwillige Selbstkontrolle", womit die früher von den Prüf stellen und der Oberprüfstelle ausgeübten Zensurbefugnisse abgelöst wurden.

Das ist ein sehr wesentlicher Fortschritt gegenüber dem früheren behördlich gelenkten System.

Die "Export-Union" - unsere Auslandsvertretung deutscher Interessen

Eine andere nützliche Neuerung war die Gründung der "Export-Union", einer gemeinnützigen und dem Gesamtinteresse der deutschen Filmindustrie dienenden Organisation, deren Hauptaufgabe in entsprechenden Werbeaktionen im Ausland liegt, sowie in einer repräsentativen Auslandsvertretung deutscher Interessen.

Die Export-Union hat ihren Sitz in Frankfurt, nicht weit von der Landeshauptstadt Wiesbaden, in der die Spitzenorganisation, die Filmbewertungsstelle und die Freiwillige Selbstkontrolle sich niedergelassen haben.

Konzentration im (Wiesbaden-) Biebricher Schloß

Und da im gleichen idyllischen Rondell zwischen dem Schloßpark von (Wiesbaden-) Biebrich und dem Rheinufer auch das "Deutsche Institut für Filmkunde" und sein stetig wachsendes Archiv, sowie die Fachzeitschrift "Der neue Film" und der Pionier des deutschen Kulturfilms, Curt Oertel, Platz gefunden haben, so bedeutet das einen nützlichen Beitrag zu einer immerhin partiell zentralisierten Standortbildung.

Die Filmindustrie immer nur so stark wie die Ware "Film"

Die gewandelte organisatorische Struktur der Filmindustrie mag mehr oder weniger nützlich, die gewandelte wirtschaftliche Struktur mehr oder weniger tragfähig sein; aber letzten Endes ist die Filmindustrie immer nur so stark wie die Ware, die sie herstellt, und ihre Chronik immer nur so interessant wie die Filme, über die zu berichten ist.

Wie man die Filme klassifizieren kann

Nicht alle Filme, die seit dem (2. Welt-) Krieg in Deutschland hergestellt wurden, waren interessant. Viele waren schlecht, aber manche waren gut, einige waren sehr gut, und viele sind immerhin interessant.

Ich habe in einem früheren Kapitel die mutigen und abenteuerlichen Anfangsschritte aufzuspüren versucht, die in jenen chaotischen Jahren unternommen wurden und es ist einleuchtend, daß in jener Zeit gerade die besten Filme sehr zeitnahe waren und daß gerade die sensibelsten und einfallsreichsten Künstler den Drang verspürten, sich nicht nur mit der Trümmerwelt auseinanderzusetzen, sondern mit dem geistigen und seelischen Umbruch der Zeit.

1950 - Man wollte keine „Trümmerfilme" mehr sehen

Aber etwa um 1950 wollte man keine „Trümmerfilme" mehr sehen, denn es gibt eine Grenze für die Selbstkasteiung. Und im übrigen begann um diese Zeit glücklicherweise die "Trümmerwelt" immer schneller in eine bald schon fast historisch anmutende Sphäre zu versinken. Es gab neue Interessen und neue Probleme.

In welche „Richtung" also steuerte jetzt der Film?

Dazu wäre zunächst zu sagen, daß es weder für den Film, noch für die Literatur oder sonst eine Kunstgattung immer gleich eine „Richtung" geben muß.

Häufig genug geht die Entwicklung ziemlich richtungslos vor sich, zumal in wildbewegten Zeiten. Wir haben gesehen, wie auch in Amerika, das doch in jeder Hinsicht ziemlich „weit vom Schuß" war, die gleichen Ursachen, die in Italien zum Neo-Verismus und in Deutschland zu Trümmerfilmen führten, einen „Neo-Realismus" eigener Art zur Folge hatten.

Und wir haben beobachtet, wie man in dieser schnellebigen Zeit schon fünf Jahre nach dem Kriege auch in Amerika das Bedürfnis spürte, sich besonders mit dem inneren Kriegserlebnis auseinanderzusetzen. Genau das gleiche geschah zur gleichen Zeit in Deutschland.

In Deutschland - Landserfilme am laufenden Band

Es gab Landserfilme am laufenden Band. Es gab "So war der deutsche Landser", der größtenteils aus Wochenschauteilen zusammengeschnitten war, und es gab "08/15", die dreiteilige Verfilmung des Romanwerkes, mit dem sich Hans Hellmut Kirst den eigenen Zorn über den „Barras" der vergangenen Zeit von der Seele geschrieben hatte und damit, wie der außerordentliche Erfolg des Buches erwies, vielen Hunderttausenden aus der Seele sprach.

Daß der von Paul May inszenierte Film den Bucherfolg für ein Millionenpublikum fortsetzte, lag nicht nur daran, daß er gerade rechtzeitig erschien, sondern vor allem wohl auch daran, daß es eine handfest gezimmerte, ungemein echte Film-Serie war und einigen ausgezeichneten jungen Künstlern, wie Joachim Fuchsberger und Renate Ewert, die Chance gab, sich in Rollen zu bewähren, die einer noch in jedermanns Gedächtnis verankerten Wirklichkeit abgelauscht waren.

Der Film "Kinder, Mütter und ein General"

Einer der bedeutendsten deutschen Landserfilme ist erst 1954 hergestellt worden. Abgesehen von seinem Niveau und seinen filmischen Qualitäten ist dieses Werk schon deshalb erwähnenswert, weil damit eine der größten Produzentenkarrieren der Filmgeschichte zum Abschluß kam. Es war der letzte Film von Erich Pommer, dessen Name untrennbar mit den Blütezeiten des deutschen Films verknüpft bleibt.

Der Film "Kinder, Mütter und ein General" enthält im Titel schon seine ganze Thematik der letzten Kriegswochen, als man Greise und Schuljungen an die nahe - die allzunahe Front schickte. Drei resolute Mütter machen sich auf, ihre Kinder zurückzuholen. Und unvergeßlich bleibt die Leistung von Therese Giehse als eine der Mütter.

Leider hat man die deutsche Fassung durch ein Happy-End zu mildern versucht; sehr gegen Pommers Willen, der für die amerikanische Fassung einen harten Schluß benutzte, den im Sinne der Story einzig richtigen, daß die Jungen in ihren sinnlosen Fronteinsatz zurückmüssen.

Ein Landserfilm kam sogar aus dem Osten

Daß man auch im Osten einen Landserfilm machte, der den Barras besonders scharf kritisierte, ist begreiflich, aber er ist interessanterweise erst 1957 herausgekommen, also mehrere Jahre, nachdem man im Westen schon längst über dieses Thema hinaus war. Immerhin sei dieser von Kurt Jung-Alsen inszenierte Film in diesem Zusammenhang genannt: "Betrogen bis zum jüngsten Tag" spielt im besetzten Polen kurz vor Beginn der Feindseligkeiten gegen Rußland.

Drei junge Landser geloben sich kameradschaftliches Schweigen als einer von ihnen (der unsympathische), das Unglück hat, bei einer gemeinschaftlichen Kaninchenjagd ein junges Mädchen zu erschießen.

Als dann aber polnische Partisanen in Mordverdacht geraten und an die Wand gestellt werden sollen, regt sich bei dem sympathischsten der drei Landser das Gewissen, er will die Wahrheit sagen, und darüber geht die Kameradschaft in die Brüche.

Der unsympathische Landser ist SS-Mann und Sohn eines nicht minder unsympathischen Generals, aber die Typisierung ist gut, und der Film hat nicht nur Spannung, sondern auch viel echte Detailschilderung und mit Hans Joachim Martens eine gute Besetzung der Hauptrolle.

"Des Teufels General"

In einem tieferen Sinne (und auf einer höheren Ebene der militärischen Rangordnung) war natürlich auch "Des Teufels General" ein „Landserfilm"; und schon einige Jahre, bevor er gedreht wurde, hat der Erfolg von Carl Zuckmayers Bühnenwerk erwiesen, wie intensiv ein Teil des Publikums seinen Zorn über die Vergangenheit abreagierte, während ein anderer Teil seine Freude hatte an den blanken Uniformen und Ehrenschildern der Männer, die auch damals Rückgrat zeigten und ihre Charakterstärke mit dem Leben bezahlten.

Als Helmut Käutner dieses Werk verfilmte, war der Erfolg eigentlich schon gesichert, zumal die Bühnenstücke Zuckmayers so „optisch" konzipiert sind, daß ihre Umwandlung in Drehbuchform wenig Schwierigkeiten bereitet.

Immerhin war die Verfilmung eine große Leistung. Curd Jürgens' schon erscheinungsmäßig ideale Besetzung wurde noch durch die Unterbetonung erwiesen, mit der dieser disziplinierte Schauspieler die leicht zu Übertreibung verleitende Hauptrolle spielte.

Wenn man durchaus innere Zusammenhänge oder gar „Richtungen" feststellen will, dann kann man gewiß "Des Teufels General" in die Serie der „Landserfilme" einreihen.

Über Richtung und Stil von bedeutenden Regisseuren

Erheblich leichter kann man im Lebenswerk bedeutender Regisseure bestimmte Richtungen feststellen. Das gilt für Lubitsch und Lang, für Vidor und Ford, für Kazan und Wyler, Wilder und Hitchcock, für Rossellini und de Sica, für Reed und Lean; und natürlich auch für Käutner und einige andere bedeutende deutsche Regisseure der neuesten Zeit.

Bedeutende Menschen sind ja nie „richtungslos", zumal wenn sie in einer bewegten Zeit leben, an deren Entwicklung sie naturgemäß starken inneren Anteil nehmen. Und wenn sie in der beneidenswerten Lage sind, sich die meisten ihrer Stoffe selber aussuchen zu können, dann ergibt sich Richtung und Stil.

Das gilt für Käutner und Staudte, es gilt auch für Braun, Liebeneiner und Weidenmann, und in einer sehr stilbetonten Art für Hoffmann.

Aber bleiben wir zunächst bei Käutner, . . .

. . . der "Des Teufels General" und "Das Mädchen von Flandern" und den "Hauptmann von Köpenick" gewiß nicht nur verfilmte, weil Zuckmayer sein Freund und ein gängiger Autor war, sondern weil gerade jene Werke in ihrer stofflichen Aussage und zu eben jenem Zeitpunkt ihm ebenso wichtig schienen, wie "Die letzte Brücke" und "Himmel ohne Sterne".

Zu den letztgenannten beiden Filmen führt eine gerade Linie von dem Zeitpunkt, da er "In jenen Tagen" inszenierte.

Partisanen mal nicht als „Banditen" zu zeigen - sondern . . .

Es war erfreulich, daß ein deutscher Künstler wenige Jahre nach dem Krieg das Bedürfnis fühlte, Partisanen nicht als „Banditen" zu zeigen, sondern als die Patrioten, die sie waren; und es war eine erschütternde Symbolik im Opfergang der tapferen deutschen Ärztin über jene letzte Brücke, um dem Feind Heilmittel zu bringen.

Ich sah den Film in London mit einem Publikum, das nur zum geringsten Teil dem deutschen Dialog folgen konnte, aber es war deutlich zu spüren, daß man in dem überfüllten Theater nicht auf die einkopierten Titel angewiesen war, um den Film zu verstehen.

In der Rolle der jungen Feldärztin gab übrigens Maria Schell eine der besten Leistungen ihrer erstaunlich schnellen Karriere.

Eva Kotthaus und "Himmel ohne Sterne"

Wenn man weiß, wie sehr Helmut Käutner zu Themen neigt, mit denen Wesentliches zur Zeitgeschichte auszusagen ist, dann war zu erwarten, daß er einmal die Spaltung zwischen Ost und West nicht politisch, sondern menschlich gestalten mußte: Eine Mutter, die ihr Kind auf der anderen Seite hat, ein Liebespaar, das durch die Grenze getrennt ist, alte Menschen, die entwurzelt werden müssen, um dem Glück der Enkel nicht im Wege zu sein.

Daß Käutner sich für "Himmel ohne Sterne" die Hauptdarstellerin Eva Kotthaus aus dem Osten holte, war nicht nur gewissermaßen symbolisch, sondern hat auch den Film um eine bedeutende schauspielerische Leistung bereichert. Unvergeßlich bleiben Lucie Höflich und Erich Ponto in den Rollen der Großeltern.

Die Höflich spielte die schon etwas irre Greisin, in deren armen Kopf die gespenstische Wirklichkeit der Gegenwart nicht mehr hineingeht, weil die nicht minder gespenstische Irrealität der Vergangenheit lebendig blieb - das war tief empfunden und die reife Kunst einer großen Schauspielerin.

Horst Buchholz als sympathischer junger Sowjetsoldat

Käutners Kunst der Schauspielerführung zeigte sich in diesem Film besonders deutlich. Etwa in der Verwendung des sehr bald zu einem schnellen Aufstieg bestimmten Horst Buchholz in der scharf profilierten kleinen Rolle eines sympathischen jungen Sowjetsoldaten; oder in der Art, wie er Georg Thomalla, einen so oft für „Klamauk-Komik" mißbrauchten Künstler, den auf beiden Seiten der Grenze heimischen Fuhrunternehmer spielen läßt, der sein gutes Herz hinter Berliner Schnoddrigkeit versteckt.

Kein Zweifel, die Episode dieses Berliner Lkw-Fahrers war in der Konzeption des Drehbuchautors wie in der Besetzung mit Thomalla ein Kabinettstück.

Heinz Rühmann und der "Hauptmann von Köpenick"

Weit mehr muß man Käutner dafür danken, daß er es sich einfallen ließ, den "Hauptmann von Köpenick" von Heinz Rühmann spielen zu lassen, einem Künstler, der eigentlich auch schon allzusehr als „Komiker" abgestempelt war, der aber hier einen Menschen von geradezu erschreckender Echtheit auf die Beine stellte.

Wie er den von der Obrigkeit geduckten und doch immer wieder auf sein Recht pochenden Schuhmacher spielte, das war fast so erschütternd wie die Szenen in der kleinbürgerlichen Wohnung der Schwester, wo er „sich nützlich macht" und dem kranken Pflegekind aus dem Bilderbuch vorliest. Wie er dann, im Besitz der Uniform, in die Rolle des Offiziers förmlich hineinwächst, das ist echte Menschendarstellung.

Nur mit einer Hauptmannsuniform den Bürgermeister verhaften

Daß eine so ungewöhnliche Einzelleistung nicht aus dem Rahmen des Films fällt, bedeutet ein weiteres Lob für den Regisseur, denn in dem ganzen Film ist nicht ein einziger falscher Ton. Eigentlich war ja schon der Einfall des Schusters Voigt, sich eine Hauptmannsuniform zu besorgen, einen Trupp Soldaten nach Köpenik zu kommandieren, dort den Bürgermeister zu verhaften, um sich auf diese Weise endlich „ordnungsmäßig abgestempelte" Papiere zu verschaffen - eigentlich war dieser wirkliche Vorgang schon eminent dramatisch.
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Wenn bereits eine Uniform schon so viel Macht hatte

Es bedurfte nur noch des dichterischen Einfalls, daß der Schuster beim Trödler die gleiche Uniform kauft, die der Bürgermeister zwanzig Jahre vorher als Reserveoffizier bestellte. Diese Uniform - oder vielmehr die Uniform an sich - wird zum Helden der Tragikomödie, wobei die Tragik eben darin liegt, daß der Begriff der Uniform in jenem Zeitraum deutscher Gesichichte so viel Macht über die Menschen hatte.
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Über den Mut, einen Film zu "machen"

Es war kein Zufall, daß dieser Film bei einer Firma hergestellt wurde, die es sich nicht nur leisten konnte, thematisch anspruchsvoll zu sein, sondern die es geradezu für eine Pflicht hielt, von Zeit zu Zeit einen Film zu machen, dessen „Aussage" wichtiger schien als seine geschäftliche Erfolgschance.

Wenn dann einmal solcher Mut belohnt wird und auch der Kassenerfolg sich einstellt, dann ist das für den Chronisten eine besonders erfreuliche Feststellung.

Die "Real-Filmgesellschaft" in Hamburg

Die Firma, der mit "Des Teufels General" und dem "Hauptmann von Köpenick" solches Glück beschieden war, ist die "Real-Filmgesellschaft" in Hamburg.

Aber Glück ist bekanntlich meistens Talentsache, und die erwähnten beiden Filme waren durchaus nicht die einzigen, mit denen die Produzenten Walter Koppel und Gyula Trebitsch den Beweis erbrachten, daß man anspruchsvolle Filme machen kann, ohne den Kassenbericht zu gefährden.

In einem früheren Kapitel wurden die bescheidenen Anfänge dieser Pionierfirma der Nachkriegszeit aufgespürt. Seitdem hat die Real einige Dutzend Filme hergestellt, und die aus solchen "anständigen" Durchschnittsfilmen errungene wirtschaftliche Stabilität dazu benutzt, sich gelegentlich mit anspruchsvollerer Thematik zu beschäftigen, wie sie etwa in "Die Ehe des Dr. med. Danwitz" zum Ausdruck kommt.

Über den Inhalt von "Die Ehe des Dr. med. Danwitz"

Dieses Werk kann man getrost einen Problemfilm oder gar einen Tendenzfilm nennen, denn es ging darum, gegen die Unterbezahlung (oder vielmehr die Nichtbezahlung) der jungen Assistenzärzte in den Krankenhäusern zu protestieren.

Die junge Frau des Dr. Danwitz muß als Mannequin arbeiten, um den Haushalt zu finanzieren, und sein Kollege Dr. Hauser muß sich als Taxifahrer seinen Unterhalt verdienen. Da die Chefin des Modehauses, in dem Frau Danwitz arbeitet, ein Kind ihrer zerrütteten Ehe nicht zur Welt bringen will, ist der von ihm erbetene Eingriff für den jungen Dr. Danwitz eine um so größere Versuchung, als seine finanzielle Lage, seit seine eigene Frau ein Kind erwartet, vollends hoffnungslos scheint.

Er verspricht also, den Eingriff zu machen, kann es dann aber doch nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Sein Kollege Hauser hat weniger Skrupel, aber der Eingriff mißlingt, ein Frauenleben ist vernichtet, und ein begabter Arzt hat sein Leben verpfuscht.

Ein starker Stoff, von dem Autor Michael Mansield gut gebaut und von Arthur Maria Rabenalt straff inszeniert, zumal er in Karlheinz Böhm und Maximilian Schell für die jungen Arzte, in Marianne Koch für Frau Danwitz und in Heidemarie Hatheyer für die Chefin eine ausgezeichnete Besetzung hatte.

Die Wirkung eines solchen Films in der Öffentlichkeit

Wenn viele Assistenzärzte bald darauf nicht mehr ganz unbesoldet waren, so verdankten sie das diesem Film, und Walter Koppel dürfte das als eine Bestätigung des Gedankens empfunden haben, den er einmal in einem Vortrag vor Hamburgs „Jungem Arbeitskreis Film" zum Ausdruck brachte:

"Das allgemeine Kritikvermögen zu stärken halte ich für eine der wichtigsten Aufgaben aller derer, die ein Verantwortungsbewußtsein für die Gesellschaft in sich tragen. Sind wir in diesem Bemühen erfolgreich, so wird das zu einer Befruchtung unseres kulturellen Daseins und vielleicht darüber hinaus zu einer Renaissance unseres gesamten geistigen Lebens führen."
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Den „Flair" für Menschen, für Stoffe und für das Publikum

Ich habe diesen Satz wörtlich zitiert, weil er mir typisch für Koppel scheint und für die zielbewußte Art, in der dieser ernste Mann sich nicht nur als ein Filmorganisator von hohen Graden erwiesen hat - bezeichnenderweise auch als führender Kopf in nationalen und internationalen Produzentenverbänden - sondern wie er auch, gemeinsam mit seinem Partner Trebitsch, jene Qualitäten entwickelt hat, die ein Filmproduzent braucht: den „Flair" für Menschen, für Stoffe und für das Publikum. Diese Partnerschaft ist Teamarbeit besten Stils.

Gyula Trebitsch hat modernste Technik in Wandsbek eingebaut

In seiner technischen Ausbildung ist Gyula Trebitsch viele erfolgreiche Jahre lang durch die UFA gegangen, aber am meisten hat er wohl in der harten Schule des eigenen Betriebs gelernt, als es galt, nach den abenteuerlich primitiven Anfängen eines in einem drei Meter hohen Tanzsaal improvisierten „Ateliers" in wenigen Jahren eine der modernsten Anlagen Europas zu schaffen, denn die große Halle in den Wandsbeker Real-Film-Ateliers ist immerhin 12 1/2 Meter hoch und mit 1.000 qm Baufläche nur um etwa 150 qm größer als eine zweite Halle, ganz zu schweigen von den Synchron- und Rückprojektion-Studios und von Trebitschs besonderm Stolz, einem Wasserbassin, das 400.000 Liter faßt und durch die im Keller eingebauten Bullaugen sogar Unterwasser-Aufnahmen ermöglicht.

Es war immerhin einiges geleistet worden auf dem nur sechs oder sieben Jahre langen Weg von der Improvisation bis zum ersten deutschen Breitwand-Farbfilm, den Käutner mit seinem "Hauptmann von Köpenick" in den Real-Film-Ateliers schuf.

Koppel und Trebitsch sprechen auch von den Mißerfolgen

Aber es ist recht bezeichnend für Koppel und Trebitsch, daß sie weniger von ihren Erfolgen sprechen, als von den paar Mißerfolgen. Sie meinen, daß man gerade davon lernen könnte und sie bestanden darauf, mir "Die Stadt ist voller Geheimnisse" zu zeigen, einen in der Schauspielerführung vorzüglichen und im Vorwurf interessanten Film, der nur mißglückte, weil zu viele Themen sozialer wie psychologischer Art angeschnitten waren.

Und natürlich auch "Glücksritter", einen Film, der ihnen sehr am Herzen lag und den man kaum als Mißerfolg bezeichnen kann, zumal er genau das erreichte, was sie damit bezweckten: eine lebhafte Debatte über die Frage, ob in den Jahren des „Wirtschaftswunders" das allzu schnelle Arbeits- und Lebenstempo nicht manchen wertvollen Menschen dazu führte, im krassen Materialismus zu verflachen.

Strittige Themen könnten die "Kassenprognose" auch verdunkeln

Koppel und Trebitsch packten immer wieder Themen an, die, gelinde gesagt, strittig genug waren, um die Kassenprognose zu verdunkeln. Wenn sie sich das nicht ab und zu leisten könnten, so meinen sie, dann würde ihnen die Arbeit keinen Spaß machen.

Aber schließlich haben sie es sich auch geleistet, Wolfgang Staudte aus dem Osten zu holen (und nicht etwa für dauernd), als es für diesen eigenwilligen Regisseur noch kaum möglich war, anderswo im Westen einen Regieauftrag zu bekommen, zumal er sich standhaft weigerte, stoffliche Kompromisse zu machen.

Wolfgang Staudte - aus dem Osten geholt

Bei Real-Film wurde ihm das nicht zugemutet, und er durfte mit "Schicksal aus zweiter Hand" (mit Marianne Hoppe und Wilhelm Bordiert in den Hauptrollen) einen sehr eigenartigen Tendenzfilm gegen den Unfug der „Hellseherei" machen. - „Eigenwillig" und „kompromißlos" sind die Kennworte für den Regisseur und den Menschen.

Das hat Staudte schon als junger Schauspieler gezeigt, als er sich im Jahre 1933 grundsätzlich weigerte, Mitglied der Kulturkammer zu werden. Er hat dann als Autor kleiner Werbefilme sich nicht nur sein Brot verdient, sondern auch sein Talent für die Regie erwiesen und bekam bei der Tobis ein paar kleinere Filme zu inszenieren. Seinen „Durchbruch" hatte er erst mit "Die Mörder sind unter uns", und damit galt er als der „Star"-Regisseur der Defa.

Aber der „Star"-Regisseur der Defa war selbstbewußt

Aber Staudte war nie der Mensch, sich an ein Gängelband nehmen zu lassen. Wenn er im Osten künstlerische Konflikte hatte - wie etwa bei der Verfilmung von Bertolt Brechts Bühnenstück "Mutter Courage" - dann ging er eben in den Westen.

Als man ihm aber zumutete, er solle sich ein für alle Mal verpflichten, nie mehr im Osten zu arbeiten, legte er empört die Regie eines eben begonnenen Films nieder und ging wieder zur Defa, um dort den hübschen Märchenfilm "Die Geschichte vom kleinen Muck" (nach Wilhelm Hauff) zu machen und Heinrich Manns satirischen Roman "Der Untertan" zu verfilmen.

Der Mann mit dem Haus in West-Berlin

Er behielt aber trotzdem sein Haus in West-Berlin, und als ich ihn dort ein paar Jahre später aufsuchte, schickte er um Mitternacht den Vorführer nach Hause.

Den "Untertan" könne ich demnächst in London sehen; jetzt aber wollte er mir ein Projekt erzählen, das ihm besonders am Herzen liege: ein nicht so sehr pädagogisches als menschliches Thema, nämlich die Frage, wie ein „schwieriges" Kind zu behandeln sei, um es aus einer „Ratte" zu einem Menschen zu machen.

Ein packender Stoff - "Ciske, die Ratte"

"Ciske, die Ratte", wurde im Amsterdamer Hafenviertel und in einem Erziehungsheim gedreht. Es ist ein packender Stoff, und mit der ungemein einprägsamen Darstellung der Titelrolle durch den kleinen Dick van der Velde wieder ein Beweis für Staudtes großes Vermögen der Schauspielerführung.

Auch Berta Drews als die verschlampte Mutter des Jungen steigerte diese Rolle zu hysterischen Extremen, bei der nur die abgewogene Regie die Künstlerin davor bewahrte, die Grenzen einer großen schauspielerischen Leistung zu überschreiten.

Ein Film muß durch die Wirkungskraft seiner Gestaltung packen

Im übrigen hatte Staudte recht mit seinem Vorschlag, mir den „Untertan" nicht in seinem Hause, sondern lieber in London anzusehen. Einen Film von einem Publikum applaudiert zu sehen, dessen Mehrheit dem Dialog nicht folgen kann, zeigt, daß er schon durch die alleinige Wirkungskraft seiner visuellen Gestaltung zu packen vermag.

In der betont stilisierten Art, in der Staudte die Satire überspitzte, holte er aus Werner Peters nicht nur die Gestalt, sondern geradezu den Prototyp des „Untertans" heraus.

Die Lust, aus vorzüglichen Künstlern mehr, und immer noch etwas mehr herauszuholen, reizte Staudte nach einigem Zögern dazu, mit Maria Schell die "Rose Bernd" zu verfilmen. Und wie er diese bedeutende, aber leicht zu Übertreibung neigende Künstlerin zu bändigen wußte, war nicht die geringste einer beachtlichen Regieleistung.

Maria Schell und "Rose Bernd"

Hätte Staudte den Film im Osten gemacht, dann hätte man wohl von ihm erwartet, daß er den sozialen Gedanken herausschälte, der Gerhart Hauptmann vor mehr als einem halben Jahrhundert bewegte.

Daß dies dem Regisseur als antiquiert und gekünstelt erschien; zeigt Staudtes geradlinige Denkart. Ihm kam es lediglich darauf an, den menschlichen Konflikt des Dramas herauszuschälen und ein saftiges Weibsbild zu zeigen, das mit seinen Mannsbildern ins Unglück kommt.

Herrlich und unvergeßlich

Herrlich schon im Anfang des Films, die echte Atmosphäre des Bauernhofes; und dann Roses kindhafte Freude an der kalbenden Kuh, das triebhafte Glück des weibwerdenden Mädchens, das auf diesem fruchtbaren Stück Erde heranwuchs und eigener Mutterschaft entgegenreift.

Unvergeßlich auch das im Sonnenglast der Sonntagsruhe wogende Kornfeld, kurz vor der Verführungs-Szene mit dem leidenschaftlichen Rai Vallone, die dunklen Silhoutten der Kirchgänger im Hintergrund; und dann die Szenen mit August Keil, diesem (vom Drehbuch sympathisierten) Unglücksmenschen, dessen Darstellung von Hannes Messender die bedeutendste schauspielerische Leistung dieses an guter Schauspielkunst nicht armen Films ist.

Der beste Drehbucheinfall kommt . . . .

. . .  kommt kurz vor dem Schluß, als Rose, im überfüllten Eisenbahnwaggon stehend, hochschwanger und totenblaß dem gefürchteten Termin in Wandlitz entgegenfährt, wo sie ihre Schande gerichtsnotorisch machen soll.

Nicht weit von ihr am Fenster steht eine blühende und glückliche Frau mit zwei kleinen Buben, die offenbar von der Fahrt begeistert sind und immer wieder den von der strahlenden Mutter lachend soufflierten Satz wiederholen: „Erst kommt jetzt Wörndorf, und dann kommt Teiring, und dann kommt Wandlitz."

Der letzte der drei Ortsnamen hat für Rose jene erschreckende Bedeutung, und jedesmal, wenn die Kinderstimmen den Namen wiederholen, ist es für Rose ein Stich, der sie ins Herz trifft.

Vielleicht schon „zu viel des Guten"

Die freundliche Mutter am Fenster bemerkt das gequälte Gesicht. Ob ihr nicht gut sei, ob man irgend etwas für sie tun kann? Rose schüttelt den Kopf. Aber dann, als der Zug kurz vor einer Brücke einen Moment anhält, dann springt sie aus dem Zug und rennt, wie gehetzt, auf die Unterführung zu, um allein zu sein in ihrer großen Not.

Was dann kommt: wie das Pfeifen der Lokomotive den Schmerzensschrei der Gebärenden übertönt, wie das Geratter des wieder anfahrenden Zuges und das Zischen der dampfenden Lokomotive den Vorgang gewissermaßen überfährt, das ist schon „zu viel des Guten", das ist in seiner allzu betonten Symbolik nicht annähernd so wirkungsvoll wie die subtileren Mittel, mit denen dieser bedeutende Regisseur uns vorher zu packen wußte.

Göttingen - eine Filmstadt ?

Der für diesen Film verantwortliche Produktionschef ist Hans Abich, und da wir, von "Königliche Hoheit" bis zu „Krull" (und natürlich nicht nur in Thomas Mann-Filmen) dem Namen Abich immer wieder bei einigen der besten deutschen Filme begegnen - ganz zu schweigen von einer langen Liste anspruchsloserer, aber nie geschmackloser „ Gebrauchsware" - so dürfte dieser Name in einer Chronik des Films nicht fehlen, auch wenn er nicht mit der Nachkriegsgeschichte der deutschen Filmindustrie ohnehin durch die Entwicklung von Göttingen zur Filmstadt verbunden wäre.

Genau genommen stimmt das übrigens nur mit einem Zusatz, den die historische Wahrheit erfordert: der eigentliche Gründungsruhm der Filmstadt Göttingen gebührt nicht so sehr Hans Abich als vielmehr seiner Tante. Es fing damit an, daß im Jahre 1946 zwei filmbesessene junge Männer, Hans Abich und der Regisseur Rolf Thiele sich in München zusammenfanden, den Kopf voller Pläne, und das Herz voll Entschlossenheit, sofort mit der Durchführung zu beginnen. Wenn sie in München etwas gewartet hätten, wäre vermutlich Geiselgasteig ihre Chance gewesen, aber die beiden Männer wollten nicht warten.

Er hatte eine Tante in Göttingen

Doch wo ließen sich auch nur die paar Büroräume finden, die man zunächst brauchte? Da fiel dem jungen Abich seine Tante in Göttingen ein. Die hatte in der Wöhlerstraße ein ganzes Haus. Da hätte man zunächst wenigstens ein paar Zimmer.

So geschah es, und so entstand die Produktionsfirma "Filmaufbau Göttingen", die ihren Namen behielt, auch als der „Aufbau" (und der erhebliche Ausbau) der Atelieranlage längst erledigt war.

Auch die Büroräume des wachsenden Konzerns blieben am Gründungsort, und da die ursprünglichen zwei Zimmer bald nicht ausreichten, kam das ganze Erdgeschoß, dann die erste Etage dazu, mit der unausbleiblichen Folge, daß die gute Tante schließlich - sehr komfortabel, sehr glücklich und sehr stolz auf ihren Neffen - in der Mansarde ihres eigenen Hauses landete.

Es war also einem Zufall zu danken, daß Göttingen eine „Filmstadt" wurde, dem Zufall und der Wirtschaftslogik, die sich aus den chaotischen Zuständen der unmittelbaren Nachkriegszeit ergab.

Atelieranlagen und Wohnraum am Stadtrand von Göttingen

Als dann am Stadtrand von Göttingen in einer auch wirtschaftlich günstigen Lage die Atelieranlage entstand, wurde auch Wohnraum für das darstellerische und technische Personal geschaffen; und daß damit das erste Dutzend Filme gewissermaßen in einer Familienatmosphäre intensiver Gemeinschaftsarbeit und engsten Zusammenlebens entstand, gab dem ganzen Unternehmen ein sehr eigenes Gepräge, das es beibehalten hat.

Als dann dort schon einige Spitzenwerke der deutschen Filmindustrie (z. B. "Königliche Hoheit") entstanden waren, wurde die „Filmstadt Göttingen" ein Begriff. Man kann zwar immer noch als wichtiges Argument für die weltstädtische Standortbildung von Filmateliers und gegen ihre Ansiedlung in Kleinstädten die Tatsache anführen, daß nur ein weltstädtischer Theaterbetrieb dem Produzenten ein ständiges Reservoir von talentierten Kräften für kleinere und kleinste Rollen bietet.

Aber im Falle Göttingens ist dieses Argument dadurch entkräftet, daß das Göttinger Theater unter Heinz Hilpert in seinem künstlerischen Anspruch ein fast weltstädtisches Niveau hatte und den auf Talentsuche begriffenen Filmregisseuren annähernd so guten „Zubringer"-Dienst leistete wie Berlin oder München.

„Filmstadt Göttingen" als Begriff

Um übrigens den Begriff „Filmstadt Göttingen" vollends zu würdigen, ist zu bedenken, daß sich zu dem von Abich und Thiele geschaffenen Kristallisationskern manches dazugesellt hat. Es gibt dort noch eine zweite Produktionsfirma Arca-Film (die freilich auch eine Zweigstelle und eigene Atelieranlagen in Berlin hat), und es gibt in Göttingen die Zentrale der Panorama, eines im gesamten Bundesgebiet organisierten Verleihunternehmens.

Auch Walter Kirchners Verleih "Neue Filmkunst" hat sich in Göttingen niedergelassen, ein Unternehmen, das vorwiegend Filmklubs beliefert, weil es auf künstlerisch anspruschvolle Filme spezialisiert ist; zumeist Auslandsfilme, die als zu „abwegig" gelten, um durch die üblichen kommerziellen Kanäle ihr Publikum zu erreichen.

Sehr erfreulich ist übrigens auch die Synthese, die sich aus Göttingens alter Tradition als Universitätsstadt und aus seiner neuen Rolle als Filmstadt ergeben hat. Es haben sich dort die Persönlichkeiten (und die Mittel) gefunden, um ein Filmarchiv aufzubauen, das künftigen Historikern unschätzbare Dienste leisten dürfte.

Was die Atmosphäre der „Filmstadt Göttingen" so sympathisch macht, ist der enge Kontakt aller, die dort etwas mit dem Film zu tun haben, einerlei, ob sie in einem kommerziellen Filmverleih sitzen, oder in einem nur auf die Betreuung „abwegiger" künstlerischer Versuche spezialisierten Unternehmen.

Abwege" können bisweilen den Weg weisen

Die Erfahrung lehrt, daß „Abwege" bisweilen den Weg zu künstlerischem Fortschritt weisen und daß eine „Avantgarde" von gestern häufig genug die gültige Kunstauffassung von morgen repräsentiert oder doch befruchtet.

Es war also nicht nur die Hilfsbereitschaft des „Arrivierten" für einen strebsamen und eigenwilligen jungen Künstler, es war ein echtes Verantwortungsgefühl, das Hans Abich es als Pflicht empfinden ließ, dem jungen Wiener Herbert Vesely die Chance zu geben, um die er jahrelang gehungert und gerungen hatte: die Chance, mit drei Darstellern nach Spanien zu gehen (anstatt der vorgesehenen Sahara), um in einer Wüstenlandschaft seinen Film "Nicht mehr fliehen" zu gestalten; ein Werk von einem Pessimismus, dessen nur sehr junge Menschen fähig sind, eine Allegorie zur Auswegslosigkeit der Maschinenwelt; dabei ein Film, der durch seine eigenartige kontrapunktische Dialogführung und Schnitt-Technik auffiel.

Der junge Vesely seine Chance

Daß der junge Vesely die Chance bekam, seine Talentprobe in einem sehr eigenartigen Stil abzulegen, ist erfreulich. Leicht hat es ihm auch sein Gönner nicht gemacht, wie man dieser sympathischen Erklärung entnehmen kann:

". . . Abich hat gesehen, daß ich ein fauler Hund bin, er hat mich keine Nacht schlafen lassen. Schließlich ist die künstlerische Qualität meines Films in erster Linie ihm zu verdanken. Ohne sein Drängen auf „konkrete Angaben" wäre ich in Spanien auf Improvisationen angewiesen und niemals fertig geworden . . ."

Curd Jürgens und Abichs Entdeckermut

An Entdeckermut hat es Abich übrigens nie gemangelt, und er hat ihn auch in einem kommerziell nicht „abwegigen" Falle bewiesen, als er dem Schauspieler Curd Jürgens den Wunsch erfüllte, nicht nur eine Rolle zu spielen, an die er sein Herz gehängt hatte - die Rolle eines rauschgiftsüchtigen Mannes, der durch die Liebe einer Frau (Eva Bartok) geheilt wird - sondern auch den Film "Ohne Dich wird es Nacht" selbst zu inszenieren.

Das war auch finanziell keine Enttäuschung, und das gewisse Risiko, einem Schauspieler eigene Regie zu gestatten, war immerhin dadurch gedeckt, daß Abichs Freund und Partner Rolf Thiele mit absolut „kassensicheren" Lustspielen wie "Der Tag vor der Hochzeit" (mit Paul Dahlke und Käthe Haak) aufwarten konnte.

Er meisterte aber auch anspruchsvollere Aufgaben, wie etwa den mit dem Prädikat „besonders wertvoll" ausgezeichneten „Generationenfilm" "Geliebtes Leben>", dessen Stoff vier Jahrzehnte umspannt; ein großer Erfolg auch für die Hauptdarsteller Ruth Leuwerik, Carl Raddatz, Albert Lieven und Karl Ludwig Diehl.
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Der erste deutsche (West-) Farbfilm der Nachkriegszeit

Dem Göttinger Atelier gebührt auch der Ruhm, daß dort der erste deutsche Farbfilm der Nachkriegszeit hergestellt wurde, genauer gesagt, der erste westdeutsche Farbfilm, denn bei der Defa konnte man sich schon früher des 1945 von den Russen annektierten Agfakolor-Systems bedienen.

Belangvoller jedoch als die Frage der Priorität bleibt die Tatsache, daß jener Farbfilm zu den besten deutschen Nachkriegsleistungen gehört: der nach Thomas Manns Jugendroman bearbeitete Film "Königliche Hoheit".

Zu den besten deutschen Nachkriegsleistungen zählen

Dieser in seiner zarten Ironie so ungemein anmutige Film erzählt die Geschichte von der jungen deutsch-amerikanischen Millionärstochter, die sich in den Prinzen und späteren Souverän eines Kleinstaates verliebt, weil er - jenseits des höfischen Protokolls - ein sehr hilfloser, sehr stiller und sehr sympathischer Mensch ist.

Dieter Borsche und Ruth Leuwerik

In Dieter Borsche und Ruth Leuwerik fand der Regisseur Harald Braun für diese Rollen die Idealbesetzung, aber die Glanzleistung bot Lil Dagover in der bei aller unwiderstehlichen Komik doch tief erschütternden Rolle einer charmant „spinnenden" Hofdame.

Was diesen Film unvergeßlich macht, ist die Art, in der es gelang, nicht nur die Atmosphäre jener idyllischen Residenzstadt einzufangen, sondern auch die Menschen dieser heute fast unwirklichen Welt lebendig zu machen.

Harald Braun - einer der anspruchvollsten Regisseure

Gerade diese Gabe hatte Harald Braun schon in einem seiner Frühwerke, "Träumerei" erwiesen. Aber daß er in seiner Stoffwahl zu den anspruchvollsten deutschen Regisseuren gehört, ist vor allem in "Nachtwache" bewiesen, einem Werk, das in einer sehr einfachen, aber um so tiefer zu Herzen gehenden Fabel die Gültigkeit des Gottesbegriffes gestaltet.

„Nachtwache"

Ein Kind ist einem sinnlosen Zufall zum Opfer gefallen. Als der unglückliche Vater, ein Pfarrer, an Gott und am Sinn seines eigenen Lebens zweifelt, wird er durch einen katholischen Amtsbruder zum Glauben zurückgeführt und erkennt in der „Nachtwache", die er mit einem anderen unglücklichen Menschen hält, den Sinn seines eigenen Lebens.

Der Pfarrer und der Priester wurden von Hans Nielsen und Dieter Borsche mit starkem Einfühlungsvermögen verkörpert, aber das schauspielerische Erlebnis bleibt die Innigkeit, mit der Luise Ullrich die große Rolle einer Ärztin gestaltet, die selber ihr Kind und ihr Liebesglück, nie aber den Glauben an eine Aufgabe verloren hat.

Braun nannte andere Werke als die Besten seiner Filme

Es ist anzunehmen, daß Harald Braun, ein sehr ernster Mensch, mit dem Film "Nachtwache" eine jener sehr persönlichen Aussagen gemacht hat, die man ungern rekapituliert. Jedenfalls hat er dieses meisterhafte Werk nicht genannt, als ich ihn einige Jahre später fragte, welchen seiner Filme er für den besten hielte.

Er nannte auch nicht den gerade fertiggestellten Struensee-Film "Herrscher ohne Krone", einen mehr mit kühlem Verstand als mit Herz und Gefühl konzipierten Stoff mit einer Riesenrolle für O. W. Fischer.

Er nannte "Solange du da bist", ein Film, in dem O. W. Fischer als eiskalt rechnender Filmregisseur an ein echtes Menschenschicksal gerät.

"Solange du da bist" mit O. W. Fischer

Das war in der Tat ein fesselnder Stoff von Jochen Huth. Der berühmte Regisseur (Fischer mit dunkler Brille) leitet eine Massenaufnahme, worin eine Komparsin, (Maria Schell) einen leichten Brandunfall erleidet. Ihr Gesicht interessiert den Regisseur, und nach Aufnahmeschluß fährt er sie in ihr Barackenheim am Stadtrand, sieht ihre und ihres Mannes kümmerlichen Lebensumstände und erfährt das seltsame Schicksal, wie durch schuldlose Verstrickung des Mädchens der Mann noch Jahre nach Kriegsende russische Gefangenschaft erdulden mußte.

Der Regisseur, seiner erfolgreichen „Schnulzen" müde, will aus diesem Schicksal einen „echten" Film machen, sie soll ihr eigenes Los nacherleben. Was der Regisseur aber nicht einkalkuliert hat, ist, daß die Ehe der jungen Frau durch seine Besessenheit beinahe in die Brüche geht, und daß die gequälte Frau, als es in der entscheidenden Szene des Films auch zum entscheidenden Fehler ihres Lebens kommt, plötzlich ihr eigenes Schicksal ändert, und nicht dem Drehbuch, sondern ihrem Herzen folgt.

Im Nacherlebnis bereinigt sie den Fehler und springt aus dem fahrenden Zug, um ihrem richtigen (als „Zaungast" anwesenden) Mann in die Arme zu fallen, und nicht dem Schauspieler, der die Rolle des Mannes spielt, und getreu dem Drehbuch zurückbleibt.

Die Story - wo sie aufhört wird sie erst interessant

Das ist alles sehr interessant, und daß von Fischer und der Schell, sowie auch von Hardy Krüger in der Rolle des jungen Ehemannes und besonders von Brigitte Horney als verblassendem Filmstar überzeugende Leistungen zu sehen waren, ist wichtiger als jede Kritik am Anachronismus der Grundkonzeption.

Zugegeben, daß es zu der Zeit, als deutsche Regisseure schon wieder Luxuslimousinen fuhren und mit Finanzmännern in Luxuswohnungen verhandeln konnten, kaum noch Elendsbaracken gab.

Aber dieser Anachronismus ist unwichtig. Wichtiger scheint mir, daß die Story eigentlich da, wo sie aufhört, erst besonders interessant wird. Sollte die junge Frau nicht bei aller Liebe zu ihrem Mann und bei allem Glück, die Qual des „Nacherlebens" überstanden zu haben - sollte sie da nicht den unwiderstehlichen Drang spüren, weiterzuspielen?

Und sollte das nicht zu neuen Konflikten führen und das so gut verheilte Eheglück wieder gefährden? Aber das wäre dann wohl eine neue Story, und deshalb entläßt uns die vorhandene Geschichte, so interessant sie ist, mit einem Fragezeichen.

Kurt Hoffmann und "Ich denke immer nur an Piroschka"

Als von den Regisseuren die Rede war, die, wie Braun, Käutner, Staudte u. a. in der glücklichen Lage sind, in ihrer Stoffwahl wählerisch sein zu können, erwähnte ich, daß solches in einer besonders stilbetonten Art für Kurt Hoffmann gilt, der nach dem wohlverdienten Erfolg von "Ich denke immer nur an Piroschka" in die Spitzengruppe der deutschen Filmregisseure aufgerückt ist.

Der Generalnenner für den Charme heißt „Landschaft"

Wenn man sich „Piroschka" oder "Salzburger Geschichten" oder auch nur ein so anspruchsloses Lustspiel wie "Drei Männer im Schnee" ansieht und nach dem Generalnenner für den Charme sucht, der diesen und anderen Hoffmann-Filmen eigen ist, dann findet man ihn in dem Wort „Landschaft".

Dieser Regisseur versteht es in einer ungemein reizvollen Art, landschaftlichen Hintergrund in den Vordergrund zu rücken und so lebendig zu machen wie die Menschen, die ihn bevölkern.

Wesentlich - der Charm von Marianne Koch und Paul Hubschmid

Doch wie gut gewählt und photographiert seine Motive auch sein mögen, es wären bestenfalls hübsche Landschaftsfilme entstanden, wenn nicht, z. B. in den Salzburger Geschichten auch eine wirkliche Geschichte wäre, nämlich Erich Kästners bezaubernde Story vom „kleinen Grenzverkehr"; und wenn nicht Marianne Koch und Paul Hubschmid das Liebespaar mit viel Charme verkörperten; und wenn nicht alles, Vordergrund und Hintergrund, zu einem Gesamtbild verwoben wäre.

Gleiches gilt für Liselotte Pulver

Daß es für „Piroschka" keine Aufnahmeerlaubnis in Ungarn gab, war für Hoffmann sehr traurig, aber er fand in Jugoslawien genau die typischen Motive, die er suchte. Aber auch hier hätte ihm weder die stimmungsvollste Donaufahrt noch die echteste Puszta etwas genützt, wenn er nicht Liselotte Pulver gehabt hätte, die dem kleinen Ungarnmädel des Autors Hugo Härtung ihren ganzen Liebreiz gab.

Der Humor muß aus dem Herzen kommen

Man unterschätze nicht die Regiekunst, die dazu gehört, Filme zu machen, in denen bei wenig Handlung viel Atmosphäre sichtbar werden soll, und deren Humor nicht aus Situationskomik und Wortwitz, sondern aus dem Herzen kommt.

Es ist schon schwer, die Leute zum Lachen zu bringen, es ist schwerer, sie lächeln und schmunzeln zu lassen; aber am schwersten ist es, ein Lächeln zu schenken, das vorhält, wann immer man an den Film denkt.

ZumBeispiel "Ladykillers" hat diesen subtilen Humor

Ich traf Hoffmann einmal, kurz nachdem er "Ladykillers" gesehen hatte, und er war voller Begeisterung über diesen Film und andere der gleichen „Schule".

Ich war nicht überrascht, denn für solchen subtilen Humor hat dieser Regisseur ein besonders feines Organ. Hätte ihn das Schicksal nach England verschlagen, er wäre bestimmt in Ealing beim Team von Sir Michael Balcon gelandet.

Beim Vater in die Schule gegangen

Aber das Schicksal hatte seine Wiege in das Haus von Carl Hoffmann gestellt. Als sein Vater die "Nibelungen" drehte und dabei die schwierigsten Probleme damaliger Kameratechnik löste, war Kurt ein kleiner Junge; als der Vater zehn Jahre später Hamsuns schöne Liebesgeschichte "Victoria" inszenierte, war der Sohn ein junger Mann, der das Handwerk von der Pike auf lernte.

Er brachte es zu jener Meisterschaft, die nötig ist, sich an stofflich federleichte Aufgaben heranzutrauen.

Der Regisseur Alfred Weidenmann

Entschieden handfester, aber mit nicht geringerem handwerklichen Können hat sich ein anderer deutscher Regisseur in die „Spitzengruppe" hinaufgearbeitet: Alfred Weidenmann.

Seine Filme, wie etwa "Canaris" und "Alibi", sind im Drehbuch, in der Schauspielerführung und im Schnitt gleichermaßen solide und sauber gearbeitet, und besonders "Alibi" scheint mir zu den am besten gelungenen Werken der neueren deutschen Filmgeschichte zu gehören.

O. E. Hasse in "Alibi"

Freilich hatte der Regisseur in beiden Filmen O. E. Hasse zur Verfügung, der besonders in "Alibi" eine seiner besten Leistungen gab: ein Journalist wird von der Aufgabe, einen Justizirrtum zu berichtigen, gepackt und schließlich besessen. Neben der starken dramatischen Steigerung und der Spannung einer gut gebauten Kriminalgeschichte hebt etwas den Film über das Niveau eines „Kriminalreißers" hinaus, es ist der ernsthaft entwickelte Gedanke, daß es die Pflicht der Presse sei, gegen jede Rechtsbeugung zu Felde zu ziehen.

Ein „Regiefilm", dessen Qualität freilich durch das besonders gut gebaute Drehbuch von Herbert Reinecker gefördert wird. Hardy Krüger spielte die Rolle des unschuldig angeklagten jungen Mannes.

Und so wurde Hamburg auch zur Filmstadt

Sowohl dieser Film, wie "Canaris" wurde von F. A. Mainz hergestellt, dessen Produktionsgruppe dazu beitrug, Hamburg zur Filmstadt zu machen, und dessen Filme in Hamburgs Europa-Verleih herauskamen, wo auch die meisten, ebenfalls in Hamburg hergestellten Real-Filme erschienen.

Die großen Verleihfirmen wie Herzog, Schorcht, Europa, Gloria

Es ist bezeichnend für die Neuentwicklung der deutschen Filmindustrie, daß es zunächst zwischen den großen Verleihfirmen wie Herzog, Schorcht, Europa, Gloria einerseits und den verschiedenen Produktionsgruppen andererseits zwar sehr enge und häufig wiederholte, aber fast nie ausschließliche Bindungen gab.

Die gleiche Freizügigkeit galt auch für die Beziehungen zwischen führenden Regisseuren und Produktionsgruppen, in denen sie häufig auch als Teilhaber wirkten. So hat beispielsweise Kurt Hoffmann die meisten seiner neueren Filme mit dem sehr erfolgreichen Produzenten Georg Witt (dem Ehemann Lil Dagovers) gemacht, der häufig mit einem der Bayerischen Verleihunternehmen arbeitete.

Aber "Drei Männer im Schnee" erschien bei "Deutsche London", und den „Krull"-Film drehte Hoffmann bei Abich und für den Europa-Verleih. Andererseits hat Abichs "Filmaufbau Göttingen" auch andere Verleihfirmen beliefert, wie etwa Schorcht mit "Königliche Hoheit" und Herzog mit dem Rolf Thiele-Film "Sie".

Etwas mehr über den Nachkriegskonzern - "Gloria"

Wir werden noch sehen, wie die Tendenz freizügiger und häufig gewechselter Bindungen durch wachsende Konzernbildung abgelöst wurde. Ein Beispiel für feste und ausschließliche Bindungen ist einer der großen Nachkriegskonzerne, und zwar die "Gloria".

Von einer „Konzern"-Bildung im eigentlichen Sinne des Wortes kann man bei diesem Verleih-Unternehmen erst reden, seit es durch den Bau von Kinotheatern und den Anschluß der "Divina", als eigener Produktionsfirma, die „vertikale Gliederung" vollendet hat; auch eigene Atelieranlagen sind dazugekommen.

Die Gloria - im wesentlichen die Geschichte von Ilse Kubaschewski

Die Geschichte der Gloria ist im wesentlichen die Geschichte einer Frau, die zu den Repräsentanten jenes Managertyps gehörte, dem das „Wirtschaftswunder" zu danken ist; eines Typs, der für künftige Soziologen als entscheidene Triebkraft in der internationalen Wirtschaftsgeschichte unserer zweiten Jahrhunderthälfte gelten dürfte.

Es war in einem früheren Kapitel von Hans W. Kubaschewski die Rede, der schon in den ersten Monaten nach dem Zusammenbruch die noch (oder schon wieder) spielfähigen bayerischen Kinos mit Filmen versorgte, und zwar zunächst fast ausschließlich mit schleunigst synchronisierten oder betitelten amerikanischen Filmen.

Seine Frau, Ilse Kubaschewski, war nicht weniger fachkundig, und erkannte bald, daß für das Publikum ein beliebiger alter deutscher Film reizvoller wäre, als die meisten nagelneuen Auslandsfilme. Um daraus praktische Folgerungen zu ziehen, war nichts, als der „saubere Fragebogen" erforderlich, der eine Lizenzerteilung gewährleistete.

Für damals ein kluges Motto - nicht reden, handeln

Die richtige Erkenntnis wie die sofortige Lizenzfähigkeit waren sicher bei tausenden von Fachleuten vorhanden, die in jener Zeit gern darüber redeten, wie lukrativ es wäre, jetzt mit deutschen „Reprisen" herauszukommen.

Ilse Kubaschewski redete nicht, sie handelte. Sie besorgte sich zunächst ein Dutzend Filme, wie etwa "Rosen in Tirol", "La Habanera", "Die Kellnerin Anna", "Hallo Janine", "Cirkus Renz" und andere, und da für die Reprisenlizenz nichts anderes verlangt wurde, als eine korrekte 50%ige Abrechnung mit dem „Allgemeinen Filmverleih" der Militärregierung, so war es bei einem so risikolosen Geschäft für Frau Kubaschewski geradezu unvermeidlich, ziemlich schnell Millionärin zu werden, ihren Gloria-Konzern großzügig auszustatten und in München ihr Bürohaus und ihren Gloriapalast zu bauen.

Mit Fleiß und Umsicht geglänzt

Daß jemand durch Ausnützung glücklicher Erfolgschancen reich wird, ist keine besondere Seltenheit: noch häufiger mag es vorkommen, daß Angestellte einer Firma durch Fleiß und Umsicht sich zu einer leitenden Stellung emporarbeiten. Beides tat Frau Kubaschewski.

Und dann machte sie auch noch einen Vorführerkursus

Was aber bei ihrer Karriere am imponierendsten erscheint, ist die Tatsache, daß sie, obschon sie durch eigenen Besitz, sowie durch die Anstellung ihres Mannes in gesicherter Lage war, trotzdem noch einmal „zur Schule ging" um einen Vorführerkursus zu absolvieren; und zwar mit der vernünftigen Begründung, daß technische Kenntnisse immer nützlich seien und man in so schlimmen Zeiten ein Handwerk beherrschen solle, das einen jederzeit ernähren könnte.

Sie wollte einfach nur mitreden können

Frau Kubaschewski hat zwar die Vorführerprüfung mit „gut" bestanden, dürfte es aber kaum je nötig haben in der Projektionskabine ihr Brot zu verdienen. Sie hat mit ihren Filmen viel Geld verdient, wovon die meisten den Stil der obenerwähnten Reprisen zeigten.

Sie hatte auch in der Wahl ihrer Auslandsfilme keinen literarischen Ehrgeiz, sondern deckte diesen Bedarf mit Titeln wie "Der Bandit von Sakramente", "Das Schwert der Rache", "Erbe des Henkers". Frau Kubaschewski wollte damit nur Geld verdienen. Auch mit "Grün ist die Heide".

18 Millionen Besucher - er gefällt mir trotzdem nicht.

Ich muß zugeben, daß ich an Filmen wie "Grün ist die Heide" nicht viel Freude habe. Aber daß er in der Bundesrepublik bis etwa 1956 mehr als 18 Millionen Besucher fand, ist eine Tatsache, die in diese Chronik gehört. 18 Millionen, das ist mehr als ein Drittel der gesamten Einwohnerschaft (Anmerkung : stimmt nicht ganz, es waren damals bereits ca. 60 Millionen), einschließlich der Säuglinge und anderer am Kinobesuch verhinderter Mitbürger.

Ist diese Freude an „Schnulzen" zu verurteilen ?

Ist nun die Freude an solchen „Schnulzen" zu verurteilen ? Und sind die Hersteller zu verurteilen, weil sie Millionen von Menschen Freude machen? Beide Fragen sind zu bejahen und zu verneinen.

Der Filmfabrikant möchte und muß Geld verdienen

Einem Filmfabrikanten, der zugegebenermaßen keinen künstlerischen, sondern nur geschäftlichen Ehrgeiz hat, kann man es kaum verübeln, wenn er eben jenen Erfolg erzielt, den er erstrebt.

Man bzw. ich muß mir keine „Schnulzen" anschaun

Ich wie gesagt, finde solche Filme gräßlich, aber es zwingt mich ja niemand, mir anzusehen, was schon durch Titel und Aufmachung als „Schnulze" kenntlich ist.

Auch die überwiegende Mehrheit der Unterhaltungsliteratur bisherunter zu Groschenromanenhat keinerlei künstlerischen Anspruch. Es würde niemandem einfallen, so ein Buch mit jenem Ernst zu lesen, mit dem man ein echtes literarisches Werk unter die Lupe nimmt.

Wenn Filmkritiker mit den falschen Maßstäben messen

Viele Filmkritiker pflegen aber von Filmen ein Niveau zu erwarten, das die meisten gar nicht beanspruchen. Sie schießen mit Kanonen auf Spatzen. Die meisten meiner Kollegen haben eben einen sehr kultivierten Geschmack und erwarten nicht nur von den paar Spitzenfilmen, sondern von der gesamten Produktion ihr eigenes hohes Niveau.

Im Gegensatz zur Presse müssen normale Zuschauer bezahlen

Ich könnte mir freilich vorstellen, daß Frau Kubaschewski ihnen sagt, sie gingen ja ohnehin auf Freikarten ins Kino, und die 18 Millionen zahlender Besucher für "Grün ist die Heide" fänden nun einmal an solchen Filmen Gefallen.

Bin ich jetzt ein Banause ?

Wenn ich erkläre, daß ich dieser Bemerkung der Frau K. kaum widersprechen könnte, so fürchte ich, daß der eine oder andere meiner Kollegen das Wort „Banause" in die Debatte wirft.

„Wo bleibt da der künstlerische Fortschritt, wo der geistige Auftrieb?", wird er fragen, und wo die schöne Aufgabe, das Publikum zu höherem (oder tieferem) Genuß zu erziehen ?

Wollte ich etwa die Schnuzen verteidigen ?

Und ob ich in einem Buch, das "UNSTERBLICHER FILM" heißt -, ob ich da etwa die Schnulze verteidigen will?

Es ist ein anmaßender Versuch, das Publikum erziehen zu wollen

Keineswegs. Ich würde allenfalls einigen Skeptizismus gegen den anmaßenden Versuch zeigen, das Publikum erziehen zu wollen. Es sind nämlich nicht nur die Heidefilme und Wild-West-Reißer, die das Publikum zu Millionen an die Kinokasse locken.

Das Publikum ist besser als sein Ruf

Auch kompromißlos gute Filme wie "Der Hauptmann von Köpenick" und "Salzburger Geschichten", oder "Ehe im Schatten" und "Königliche Hoheit" erbrachten den Beweis, daß das Publikum besser ist, als sein Ruf.

Mit Schaudern an die betrüblichen Kassenberichte denken

Übrigens würde Frau K. in dem (unwahrscheinlichen) Falle, daß sie immer noch unserer Debatte folgt, jetzt wohl den betrübten Einwand machen, daß sie schon vor Jahren das ihrige getan habe, um den künstlerischen Film zu fördern.

Sie habe doch Stefan Zweigs Novelle „Angst" verfilmen lassen, von Roberto Rossellini und mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle, aber sie könne nur mit Schaudern an die betrüblichen Kassenberichte denken.

Darauf wäre zu erwidern, daß freilich diese Verfilmung der klassischen Novelle von der einem Erpresser erliegenden Ehebrecherin mißglückt war, daß damit aber nichts gegen „literarische" Filme bewiesen ist.

Warum ein Film gelingt ... oder auch nicht

Es kommt nur darauf an, ob sie gelingen oder nicht; es kommt aber auch darauf an, ob das Oberhaupt der produzierenden Firma mit voller Überzeugung für das Unternehmen ist oder, wie im Falle Zweig-Rosselini-Kubaschewski, mit halbem Herzen dagegen. Da es sich hier um eine sehr wesentliche Frage handelt, sei noch ein bezeichnendes Beispiel zitiert.

Beispiel 1 - wenn der Chef nicht mitmacht

Im Jahre 1951 war der begabte und eigenwillige Regisseur John Huston schon berühmt genug, um auch in einem Riesenkonzern wie "MGM" seinen Willen durchzusetzen.

Er hatte an der Story "Die rote Tapferkeitsmedaille" („The red badge of courage") Feuer gefangen, einer Geschichte, in der, ähnlich wie in Kleists „Prinz von Homburg", der „Mut zur Feigheit" gestaltet war.

Ein interessanter und schwieriger Stoff, für den der Regisseur nicht nur seinen „Producer" Gottfried Reinhardt, sondern auch den Produktionschef des Riesenkonzern, Dore Schary, erwärmt, nein, begeistert hatte.

Nur der oberste Chef war dagegen, der fast schon legendäre Louis B. Mayer, dessen Name der weltberühmten Schutzmarke mit dem Löwenhaupt den dritten Buchstaben lieferte. Der schüttelte immer wieder seinen Graukopf, wenn dieses Projekt zur Debatte stand, aber schließlich sagte er ja. Er wisse zwar, daß man an dem Film viel Geld verlieren würde, aber das sei es ihm wert, wenn der gute Dore Schary daraus endlich lernte, daß man solche Stoffe nicht einmal mit der Feuerzange anfaßt.

Die Kernfrage - wer bezahlt die 832.654 Dollar

Schary, Huston und Reinhardt gingen ans Werk, sie hatten ein großartiges Drehbuch, und Hustons erfinderisches Hirn sprühte von brillanten Regieeinfällen. Aber irgendwie ging der Film nicht recht vorwärts, und nach einigen Monaten saßen die drei wieder im Zimmer des großen „L. B. Mayer".

Der wiegte den alten Kopf und öffnete in seinem Riesenschreibtisch das Fach, in welchem er den jeweiligen Stand von ein paar Dutzend in Vorbereitung, in Aufnahme oder im Schnitt befindlichen Filmen griffbereit hatte.

„Euer Film", sagte er mit seiner brüchigen Greisenstimme, „steht bis dato mit 832.654 Dollar und 35 Cents zu Buch. Das ist schon fast eine Viertel Million über dem laufenden Kostenplan, und es wird mindestens eine weitere halbe Million kosten, ihn fertigzustellen."

Der beredsame Huston begann zu erklären, warum gewisse Änderungen und neue Einfälle eine Erhöhung des Kostenplans bedingten, aber der alte Mann brachte ihn zum Schweigen, indem er mit dem Zeigefinger auf die vor ihm liegende Aufstellung tippte. „832 654 Dollar und 35 Cents", sagte er.

Ob die Herren vielleicht bereit wären, ihm sofort einen Scheck für diesen Betrag zu schreiben? Dann wäre es ihr Film und sie könnten ihn nach Herzenslust veredeln. Die Herren waren nicht bereit, den Scheck zu schreiben, und der alte Filmgewaltige blieb trotzdem generös.

Sie gingen wieder an die Arbeit, und der Film wurde irgendwie fertiggestellt. Aber Hustons Lieblingsstoff mißglückte, und es bleibt die betrübliche Feststellung, daß der „amusische" Kaufmann recht behalten hat.
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Ein 2. Beispiel

Bevor wir aus diesem Schulbeispiel einige Schlußfolgerungen zu ziehen suchen, sei noch ein Fall erwähnt, bei dem die Künstler ganz unter sich blieben. Der Held dieser Geschichte war Ben Hecht, seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Drehbuchschreiber Hollywoods, aber auch ein Schriftsteller mit literarischen Ambitionen.

Er schrieb einige hervorragende Stücke und Drehbücher, (wie z. B. „Front Page", eine bis dahin unerreichte Gestaltung des Pressemilieus), aber er schrieb auch "Gangsterfilme" und „Schnulzen", wofür er nie weniger als 5.000 Dollar pro Woche bekam. Er konnte es sich sogar leisten, in seinem Vertrag mit dem berühmten Sam Goldwyn auf einer Sonderklausel zu bestehen, wonach es jenem verboten war, ihn unaufgefordert anzusprechen; einfach deshalb, weil es Mr. Hecht nervös mache, von Mr. Goldwyn angesprochen zu werden. (Wenn diese Klausel nicht getreu befolgt wurde, so hatte sie doch ihren Publicity wert).

Den „analphabetischen Geldleuten" ausgeliefert zu sein

Dieser Ben Hecht hatte es eines Tages satt, „analphabetischen Geldleuten" ausgeliefert zu sein, zumal er über einen wertvollen Stoff verfügte, bei dem er sich von niemandem hineinreden lassen wollte. Der Stoff stammte von Noel Coward, einem Schriftsteller, der noch berühmter und verwöhnter war. Die beiden beschlossen, den Film in eigener Regie zu machen. Sie konnten es sich leisten, ein paar hunderttausend Dollar zu riskieren, und der Film wurde auch gedreht und aufgeführt. Aber ein wohlwollender Chronist tut gut daran, ihn hinter dem Schleier der Vergessenheit ruhen zu lassen.

Anmerkung : Wie hieß denn dieser Film ??
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Auch Orson Welles "griff" öfter daneben

Beispiele literarischer Ambitionen und ihrer mißglückten Resultate sind keineswegs vereinzelt; auch der als Schriftsteller, Regisseur und Schauspieler begabte Orson Welles hat öfter versucht, künstlerischen und geschäftlichen Unternehmungsgeist zu verbinden, was in der Praxis nie so begeisternd aussah wie auf dem Papier.

Was ist die Lehre solcher Exempel ?

Zunächst, daß die Filmherstellung immer eine straffe Organisation erfordert und daß es schädlich ist, auf sie zu verzichten. Sodann, daß eine Geschäftsleitung, wenn sie schon einen „literarischen" Stoff genehmigt, gut daran tut, selber an die Sache zu glauben und sie nicht kleinmütig, sondern mit Hochdruck zu fördern. Die Hauptlehre aber ist die, daß es ein Unfug ist, zwischen künstlerischen Stoffen einerseits und Unterhaltungsfilmen andererseits zu differenzieren.

Nicht geringere, sondern nur eben andere Ansprüche . . .

Selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob man an die Verfilmung von "Rose Bernd" geht, oder ob man einen Reißer oder eine harmlose Komödie herstellen will. Aber auch Kriminalfilme und Lustspiele stellen keine geringeren, sondern nur eben andere Ansprüche.

Sehr selten - ein Kassenerfolg und ein echtes Kunstwerk

Es kann auch vorkommen, daß ein nach einem weltberühmten Buch bearbeiteter Film mit einem hervorragenden Regisseur und glänzenden Darstellern völlig danebengeht, während ein erheblich anspruchsloserer Film vielleicht nicht nur einen riesigen Kassenerfolg hat, sondern sich auch als ein echtes Kunstwerk erweist.

Jeder Film ist immer das Produkt aus seinem Stoff und aus den künstlerischen und technischen Kräften, die dahinterstehen, und ein gut gebauter Kriminalreißer oder meinetwegen sogar eine „Schnulze", die nicht mehr vortäuschen will, als sie darstellt, ist mir lieber als irgendeine prätentiöse und halbgegorene „literarische Aussage".

Was ist überhaupt eine „Schnulze" ?

Sollte man, um noch einmal auf die Gloria der Frau Kubaschewski zurückzukommen - sollte man etwa "Die Trapp-Familie" und "Königin Luise" als „Schnulzen" bezeichnen? Ich würde es nicht tun und allenfalls die akademische Frage akzeptieren, ob eine solche Bezeichnung berechtigt wäre, wenn die gleichen Stoffe von einem weniger stilsicheren Regisseur als Wolfgang Liebeneiner inszeniert worden wären.

2 x 100 Minuten und ich hatte mich nicht gelangweilt

Jedenfalls habe ich mich in kaum einer der etwa hundert Minuten gelangweilt, die ein jeder der beiden Filme dauert, und das ist eigentlich schon ein Kompliment. Im übrigen scheint es mir beachtlich, daß in der „Luise" der Regisseur wie sein Drehbuchautor, Georg Hurdalek, es schon von der dramaturgischen Seite her verstanden, den Stoff zu „entkitschen".
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Wichtig : den Stoff „entkitschen"

Es war klug, den König nicht als den Schwächling der Lesebücher zu sehen, sondern als warnenden Realisten; und die Luise nicht als schöne Dulderin, sondern als denkende Frau, die sich bittere Vorwürfe macht, den König wider sein besseres Wissen in die Katastrophe von Jena gehetzt zu haben.

Mithin hatten Ruth Leuwerik und Dieter Borsche nicht Klischee-Figuren, sondern Menschen zu sein. Da ihnen das unter Liebeneiner gelang, ist dieser Film der so naheliegenden Gefahr entgangen, eine „Schnulze" zu werden.

Das gleiche gilt für die "Trapp-Familie", bei der unter der gleichen Führung die Leuwerik wieder ihre Kunst erweist, nicht nur frauliche Anmut, sondern auch mädchenhaften Liebreiz darzustellen. Auch die schwierige Rolle des Barons vermied die große Gefahr unfreiwilliger Komik - dank Hans Holts verhaltener nobler Darstellung. Da Hurdaleks Drehbuch und Liebeneiners Regie dafür sorgten, daß die bittersüße Story vom Auszug der Trappfamilie nicht rührselig, sondern menschlich wirkt, ist auch bei diesem Film die Kitsch-Klippe umschifft.

Filme fürs deustche Publikum - auf nach Indien

Noch eine Filmserie aus der Gloria-Produktion sei erwähnt; nicht etwa, weil es gute Filme waren - das kann man beim besten Willen nicht behaupten - sondern weil sie durch Typ und Erscheinungstermin von gewissem filmhistorischen Interesse sind.

Als zu Beginn der fünfziger Jahre Deutsche wieder ins Ausland reisen konnten, hatte die kluge Frau Kubaschewski den Gedanken, daß es im Publikum nach der großen Isolierung eine gewisse Sehnsucht nach der weiten Welt und nach Exotik geben müsse.

Sie schickte also das Filmpaar Veit Harlan - Kristina Söderbaum nach Indien, um dort ein paar Filme zu machen, in denen neben einer unechten Handlung echte Elefanten und echte Palmen zu sehen waren.

Doch das ging in die Hose

Daß diese Filme "mißglückten", spricht nicht gegen die Richtigkeit des Grundgedankens; für den Chronisten ist der Vorfall um so interessanter, als er die Parallele zu einem entsprechenden Zeitabschnitt nach dem Ersten Weltkrieg darstellt.

Denn auch damals, Mitte der zwanziger Jahre, konnte man, endlich von der Inflation befreit, wieder in die „weite Welt" reisen. Die daheimbleibende Mehrheit aber konnte wenigstens vertraute Gesichter populärer Filmstars zur Abwechslung einmal mit Tropenhüten sehen. Daß eine ähnliche Entwicklung nicht lange vorhielt, ist in unserer schnellerlebigen Zeit begründet.

Bernhard Grzimek und sein Sohn Michael Grzimek

Und es ist bezeichnend, daß die sich auf ihren exotischen Hintergrund und ihre spannende Handlung verlassenden „Abenteuerfilme" nicht annähernd so spannend und abenteuerlich waren, wie etwa das bescheiden als Dokumentarfilm gedrehte Werk der Forscher Bernhard Grzimek und seines Sohnes Michael Grzimek.

Daß "Kein Platz für wilde Tiere" ein größerer Publikumserfolg wurde, als viele mit großer Propaganda herausgebrachte Spielfilme, war wieder einmal ein Beweis dafür, daß echte Leistung immer gewürdigt wird. Echt war jede Aufnahme dieses Films. Ihrer farbentechnischen Vollendung könnte sich jeder Fachmann rühmen. Dabei sind aber beide Grzimeks - was Filmen anbelangt - eher Amateure!

Ein Teil des Lobes gebührt auch der Bearbeitung, denn wie leicht wäre das ungewöhnlich schöne und reiche Film-Material, das die Grzimeks von ihrer Reise heimbrachten, durch eine früher - und leider noch heute - übliche professoral dozierende Bearbeitung gefährdet worden.

Hier sprach Victor de Kowa einen pointenreichen Text von Heinz Kuntze Just, und Wolfgang Zellers Musik tat das ihrige, um aus diesem wunderschönen Bilderbuch für Tier- und Naturfreunde ein lebendiges Kunstwerk zu machen.

Ein „Prädikat" für "Kein Platz für wilde Tiere"

Daß ein solcher Film ein „Prädikat" bekam, war fast ebenso selbstverständlich, wie daß er einen für einen „Kulturfilm" ungewöhnlichen Zulauf hatte. Denn nicht immer geschah es, daß die von der Bewertungsstelle der Spitzenorganisation oder von den Preisrichtern der zahlreichen „Festivals" ausgezeichneten Filme auch den entsprechenden Publikumserfolg hatten.

Wenn das Publikum an den Kinokassen urteilt

Oft stand der vom großen Publikum an den Kinokassen erteilte „Stimmzettel" im genauen Gegensatz zum Urteil „kompetenter Fachleute". So hat beispielsweise der mit dem Prädikat „Besonders wertvoll" ausgezeichnete "Stresemann"-Film beim großen Publikum wenig Gefallen gefunden, während der in einer Presseabstimmung als „schlechtester Film des Jahres" gekennzeichnete „Dschungelfilm" Liane (mit der jungen Marion Michael in der Titelrolle) das Publikum scharenweise anzog.

Meist überwog die Übereinstimmung von Rezensent und Publikum

Trotzdem überwog die Übereinstimmung zwischen „amtlich" bestätigter Qualität und dem Urteil des Publikums. Das gilt für schon mehrfach erwähnte Filme, wie etwa "Königliche Hoheit", für "Canaris" und "08/15" (erster Teil); es gilt auch für den durch die Vernunft und den Mutterwitz seiner politischen „Aussage" unvergeßlichen italienischen Film "Don Camillo und Peppone", für John Hustons herrlichen Toulouse Lautrec-Film "Moulin Rouge" und für den schönen Schwedenfilm "Sie tanzte nur einen Sommer".

Es gilt endlich auch für zwei grundverschiedene Filme, die beide mit gutem Grund auf die nicht sehr umfangreiche „Ehrentafel" derjenigen Leistungen gehören, die nicht nur mit hohen „Prädikaten" ausgezeichnet wurden, sondern auch das Publikum zu vielen Millionen anlockten: Rolf Hansens "Sauerbruch-Film" und Ernst Marischkas "Sissi".

Der "Sauerbruch" wurde von Ewald Baiser gespielt

Wenn man für den Erfolg des erstgenannten Films eine Erklärung sucht, so findet man sie ganz einfach in der Tatsache, daß das ungewöhnliche Leben einer ungewöhnlichen Persönlichkeit nach einer ungewöhnlich erfolgreichen Biographie sehr lebendig von Ewald Baiser dargestellt wurde.

Die unverbildete Anmut der Romy Schneider

Der Erfolg der Sissi-Filme aber (übrigens auch einer der größten Auslandserfolge) ist einfach durch den natürlichen Liebreiz und die unverbildete Anmut von Romy Schneider zu erklären.

Das entscheidende Wort ist „unverbildet", denn der außerordentliche Aufstieg dieser jungen Künstlerin zu einer der erfolgreichsten Darstellerinnen Europas erklärt sich dadurch, daß sie zunächst ganz einfach sich selbst, das sehr hübsche, sehr nette und meistens sehr lustige junge Mädchen spielte.

Romy Schneiders schneller Aufstieg zum „Star" hat ihr nichts von jener unverbildeten Frische genommen, die das Geheimnis ihres Erfolges war. Viel ist dabei dem Einfluß Magda Schneiders, ihrer vernünftigen Mutter zu verdanken, die aus eigener Erfahrung den „Beruf" eines Filmstars mit seinen Licht- und Schattenseiten kannte.

Um sehr schnellen Weltruhm vertragen zu können, muß ein Mensch eine Persönlichkeit sein. Und Magda förderte jene Charakterstärke, die Romy dann erweisen konnte. Daß sie außerdem (in Robinson soll nicht sterben) gezeigt hat, wie hübsch sie auch in Lumpen aussehen kann, war zu erwarten und ist weniger belangvoll, als daß sowohl sie wie Horst Buchholz in diesem Film vor schwierigere schauspielerische Aufgaben gestellt waren. Beide haben auch diese Probe (unter Josef v. Bakys Regie) bestanden.

Viele Schaupspieler trugen zu den Erfolgen der Filme bei

Es ist ein erfreulicher Gedanke, daß es neben den erfolgreichsten, kometenhaft aufsteigenden Nachwuchs-Stars des deutschen Films eine ganze Reihe hervorragender junger Künstler gibt, wie vor allem Marianne Koch und Johanna Matz, oder Maximilian Schell, die ein gewichtiges Wort mitzureden haben.

Aber nicht minder erfreulich ist es, daß es auch unter den Künstlern, die schon in früheren Perioden der deutschen Filmgeschichte „arriviert" waren, einige gibt, die, wie etwa Willy Birgel, Heinz Rühmann, Paul Hörbiger, O. E. Hasse, Paul Henckels, Theo Lingen, Martin Held, Luise Ullrich, Heidemarie Hatheyer, Winnie Markus und viele andere ihr Rollenfach so gut beherrschen wie eh und je. Ganz zu schweigen von Hans Albers, der nach jahrzehntelanger ungeschmälerter Karriere ins Charakterfach hineinreifte, um damit gewissermaßen von neuem zu beginnen.

Die Umschau auf Hamburg, Göttingen, München und Wiesbaden

Wir haben bei diesem Rundblick auf das deutsche Filmschaffen nach dem Kriege in Hamburg und Göttingen, in München und in Wiesbaden etwas Umschau gehalten.

In München werden wir noch einmal Besuch machen müssen, um die jüngere Entwicklung der Bavaria und ihrer großen Atelieranlagen von Geiselgasteig zu betrachten; auch bei der UFA in Berlin, die jahrelang und voller Neid vom Phoenix träumte, welcher sich - der Sage nach - aus der Asche erhob.

Dennoch bleibt Berlin die wichtigste Filmstadt

Berlin bleibt von den verschiedenen Standorten neu-deutscher Filmproduktion einer der wichtigsten; und, zumindest quantitativ, bestimmt der größte, wenn man die Ostberliner Defa mitrechnet, wie sich das für eine Chronik gehört, in der es keine politischen Maßstäbe gibt, sondern nur den einen, ob ein Film gut oder schlecht ist oder doch interessant genug, um erwähnt zu werden.

In den ersten Jahren war Berliner Atelierraum für die westlichen Produzenten sehr knapp, und sie mußten zunächst mit dem verbliebenen Teil des alten UFA-Ateliers in Tempelhof vorliebnehmen, da die viel größeren Anlagen in Babelsberg und Johannistal ausschließlich der Defa zur Verfügung standen.

Es begann schon 1946 mit Arthur Brauner und der CCC

Trotzdem ließ sich der erste der Nachkriegs-„Pioniere", Arthur Brauner nicht davon abhalten, schon 1946 mit der Produktion zu beginnen. Als er sich bald darauf in Spandau ein eigenes Atelier für seine CCC auszubauen begann, hielt man ihn für verrückt.

Warum, so fragten sich die Neunmalklugen, ging der Mann nicht nach München oder nach Hamburg? Wie konnte man es in einer Stadt, die nur notdürftig mit der westlichen Welt verbunden war, wagen, auf so weite Sicht zu disponieren?
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Brauner glaubte an Berlin

Aber Brauner ließ sich nicht beirren, er glaubte an Berlin, und der Erfolg hat ihm recht gegeben, denn seine Atelieranlage und sein Produktionsprogramm konnte sich schon wenige Jahre später an Umfang mit jedem Großbetrieb messen.

In Brauners origineller Persönlichkeit mischen sich Initiative und Idealismus, aber auch Skepsis und nüchterner Realismus, und nichts ist bezeichnender für den Mann, als daß er sein allererstes Filmprojekt "Morituri", eine Art Hoheslied für die KZ-Opfer, trotz großer Schwierigkeiten mit der eisernen Beharrlichkeit eines von der Idee Besessen durchkämpfte und vollendete; aber eben nicht als ersten, sondern als zweiten Film, nachdem er durch einen sicheren Lustspielfilm die materielle Grundlage dafür geschaffen hatte.

Brauners Erfolge finanzierten seine Träume

Brauner hat sich seitdem durch Dutzende von „sicheren" Filmen immer wieder die Möglichkeit geschaffen, auch Filme machen zu können, an die er sein Herz gehängt hatte: wie etwa "Die Ratten", nach Gerhart Hauptmanns Bühnenstück, von welchem mir der Regisseur Robert Siodmak lächelnd erzählte, Brauner pflege den Film „mein Klassiker" zu nennen. Mit Maria Schell als Pauline, Heidemarie Hatheyer als Frau John und Curd Jürgens als ihr Bruder Bruno geradezu eine Idealbesetzung !

Aber warum mußte der Film durchaus modernisiert werden, zumal der Konflikt - aus dem Berlin der Jahrhundertwende in das der Fünfziger Jahre verlegt - viel von seiner Echtheit verliert, während die durch die Probleme der „Viersektorenstadt" geschaffenen Komplikationen kaum einen Gewinn bedeuten?

Ein Emil Jannings Film nachgedreht

Weniger schädlich war die Modernisierung bei einem anderen Drama Gerhart Hauptmanns, das Arthur Brauner verfilmen ließ. "Vor Sonnenuntergang" behandelt den zeitlich unbegrenzten Konflikt, der sich aus der Liebe eines alternden Mannes zu einem jungen Mädchen und aus dem egoistischen Widerstand der Familie ergibt.

Der gleiche Stoff war schon mit Emil Jannings in der Rolle des Geheimrats in der Nazizeit verfilmt worden. Während man damals besonders das „Führerprinzip" betonte, wurde in der Neufassung nur die rein menschliche Seite des Konflikts beachtet.

In diesem Film spielte Hans Albers eine große Charakterrolle im „Altersfach", während Annemarie Düringer dem jungen Mädchen ihren herben Liebreiz gab.

Lilli Palmer und "Wie ein Sturmwind"

Als Brauner mir "Wie ein Sturmwind" vorführen ließ, meinte er nicht ohne Stolz, daß er Lilli Palmer zum Filmstar gemacht habe, womit er nicht ganz unrecht hatte; denn diese sehr begabte und ehrgeizige Schauspielerin hatte sich zwar in den zwei Jahrzehnten ihrer Emigration in England und Amerika einen großen Namen gemacht, aber sie war doch mehr ein Bühnen- als ein Filmstar, bevor sie in ihre Berliner Vaterstadt zurückfand um dort noch einmal eine sehr bedeutende Karriere zu beginnen.

Neben Brauner zog es auch Kurt Ulrich und Kurt Schulz wieder nach Berlin

Zu den Filmfabrikanten, die ihren Glauben an Berlin dadurch bekundeten, daß sie unter keinen Umständen bereit waren, ihre Vaterstadt zu verlassen, gehörten auch Kurt Ulrich und Kurt Schulz, beide „waschechte" Berliner, die ihre Herkunft sowohl wie ihren Optimismus sofort und doppelt dokumentierten.

Sie nannten ihre neue Firma "Berolina" und sie nannten ihren ersten Film, mit Jacob Tiedtke, Fritz Kampers, Grethe Weiser, Rudolf Prack (von Arthur Maria Rabenalt inszeniert), "Morgen ist alles besser".

Die Berolina machte die "Schnulzen"

Das war der Vorläufer von ähnlich leichten Lustspielfilmen, sowie von den beiden kassenmäßig bei weitem erfolgreichsten Filmen dieses Jahrzehnts: "Schwarzwaldmädel" und "Grün ist die Heide".

In diesem (schon in Verbindung mit der Gloria erwähnten) Film spielt Rudolf Prack eine seiner zahlreichen Förster-Rollen, und in beiden Filmen hat Sonja Ziemann sich eine nach Millionen zählende Anhängerschaft erspielt.

Bobby E. Lüthge schrieb die Schnulzen-Drehbücher

Auch andere Berolina-Filme, wie etwa "Um eine Nasenlänge" (ein Film aus dem Milieu der Sechs-Tage-Rennen mit Theo Lingen in der Hauptrolle) oder "Mikosch" rückt ein (mit Georg Thomalla, Paul Hörbiger und Willy Fritsch) wollen nicht mehr scheinen, als sie sind, und daß die meisten von Bobby E. Lüthge geschrieben wurden, gibt ihnen den Stempel handfest gekonnter „Gebrauchskomik".

Daß übrigens dieser fleißige Autor mit vielen Hundert Drehbüchern den „Weltrekord" hält, ist auch ein gewissermaßen „filmhistorisches" Faktum. Mir ist weder in London, noch in Hollywood, Paris oder einem der anderen Filmzentren ein Kollege begegnet, der so lange und so konstant erfolgreich das gleiche, zwar literarisch anspruchslose aber doch gekonnte Genre gepflegt hat.

Schnulzen waren im Osten sehr selten

Filme dieser leichten Art, die weder künstlerischen noch erzieherischen Ehrgeiz haben, kann man in der ostdeutschen Produktion nur vereinzelt finden. Die meisten Defa-Filme haben eine politische Tendenz, die den Genuß beeinträchtigt, den man sonst an manchem nicht nur gut gemeinten, sondern auch gut gemachten Film hätte.

Ich denke dabei besonders an "Teufelskreis". Es war eine großartige schauspielerische Leistung, wie Joachim Brockmann den Dimitroff spielte, und auch sonst ist diese filmische Gestaltung des Reichstagsbrand-Prozesses (nach dem Bühnenstück von Hedda Zinner) in mancher Hinsicht sehr gut gelungen.

Es könnte ein sehr befriedigender Film sein, der auch in Westdeutschland ein großes Publikum erschüttern würde, wenn er nicht durch eine allzu dick aufgetragene Parteipropaganda und stellenweise geradezu naive Entstellung historischer Tatsachen enttäuschte. Es ist schade um diesen Film, denn hier ist ein potentielles Kunstwerk zerstört worden.

Ein Defa-Ausnahmefilm "Schlösser und Katen"

Politisch (und sogar parteipolitisch) geglückter ist der Film "Schlösser und Katen", auf den man bei der Defa schon deshalb besonders stolz war, weil er als „selbstkritisch" galt.

Es handelt sich bei diesem sehr umfangreichen Werk - der Film ist zweiteilig und hat eine Laufzeit von etwa dreieinhalb Stunden - um die Geschichte der Bodenreform, und einige Fehler, die im Laufe der Jahre begangen wurden, werden von den jüngeren Parteimitgliedern den „Bonzen" gegenüber scharf gerügt.


Stellenweise ist auch dieser Film politisch recht naiv, besonders in der allzu outrierten Schwarz-Weißmalerei des Gutsherr-Gutsknecht- Verhältnisses aus der vergangenen Zeit. Trotzdem ist dieser von Kurt Maetzig (dem Schöpfer von "Ehe im Schatten") inszenierte Film eine sehr beachtliche Leistung.


Ganz hervorragend ist die vorher so gut wie unbekannte Karla Runkehl in der Hauptrolle einer jungen Landarbeiterin. Sie erinnert im Typ ein wenig an die junge Lucie Höflich, und sie scheint auch die Kraft zu haben, dieser großen Künstlerin nachzueifern.

Die Defa - 100 Filme in den ersten 10 Jahren

Dieser Film war der hundertste, den die Defa in den ersten zehn Jahren herausgebracht hat; und wenn auch eine ganze Menge schnell vergessen wurden, so sind doch einige darunter, die für die Chronik des Films eine bedeutende Bereicherung darstellen.

25 Defa Filme gingen in "den Westen"

Einige dieser Filme, von "Die Mörder sind unter uns" über "Ehe im Schatten", "Der kleine Muck" und "Affäre Blum" bis zum "Untertan" sind ja Millionen westdeutscher Kinobesucher bekannt geworden, und die Gesamtziffer der in den ersten zehn Jahren von Ost- nach Westdeutschland „exportierten" Filme beträgt 25.

weiter in der Defa Statistik :

Übrigens nahm von den für die ersten zehn Jahre ausgewiesenen 662 Defa-Exporten, Österreich nicht weniger als 63 Filme ab, während die anderen großen Abnehmer ausschließlich Oststaaten sind, wie z. B. die CSR mit 65, Bulgarien mit 60, Rumänien mit 67, Ungarn mit 63, Polen mit 52 und die UdSSR mit 32 Filmen.

Jetzt kommt, was die Ostzone importierte

Umgekehrt wurden aber in den zehn Jahren nicht weniger als 185 Filme aus der Sowjetunion importiert, 80 aus der CSR, 38 aus Frankreich, 32 aus Italien, 26 aus Polen, 20 aus Österreich, einer (!) aus USA, aber immerhin 61 aus der Bundesrepublik. Man kann aus dieser Statistik die interessante Feststellung machen, daß die westdeutsche Filmindustrie der ostdeutschen gegenüber eine sozusagen aktive Handelsbilanz hat, aber viel trauriger ist natürlich die Tatsache, daß es innerhalb Deutschlands überhaupt „Import" und „Export" gibt, und noch nicht wieder den DEUTSCHEN FILM.

Gemeinschaftsproduktionen wurden "erstrebt"

Um so interessanter (und um so erfreulicher für eine Chronik des deutschen Films) ist die Tatsache, daß west-östliche Gemeinschaftsproduktionen von beiden Seiten schon seit längerem erstrebt werden.

Thomas Mann hat bekanntlich testamentarisch verfügt, daß er bei der Verfilmung der "Buddenbrooks" die Spaltung Deutschlands ignoriert zu wissen wünscht.

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