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Sie lesen hier einen (Teil-) Artikel aus 1994 - "100 Jahre Kino"

von Gert Redlich im April 2021 - Außer daß der Zeitpunkt genauso vage oder zufällig war wie "80 Jahre Langsspielplatte" (eine Kreation von "dpa") oder "40 Jahre Compact Disc" (eine Kreation einer im Abwärtstrend befindlichen Hifi Zeitschrift), ist auch hier der Zeitpunkt (Dezember 1994) nahezu willkürlich gewählt.

Aber es gibt einen anderen Grund
, warum ich diesen Artikel hier publiziere. Ich war vor vielen Jahren völlig baff, als ich in einem (englischen) Taschenbuch las, das Magentbandgerät hätte ein Engländer erfunden. Nun ja, ich nahm es (mit Humor) erstmal so hin. Dann, wieder ein paar Jahre später, bekam ich die Firmen-Chronik- 12 Artikel der Firma AMPEX aus Californien in die Hand, in denen natürlich die (eigene) Firma AMPEX dieses (für AMPEX) sehr erfolgreiche Magentbandgerät erfunden hatte.

Das steht da wirklich drinnen. Ich war wieder baff, hatten doch andere Amerikaner (rückkehrende Soldaten aus Old Germany) ein paar Jahre vor diesen Ampex History Artikeln bereits erkannt, das Vorbild für die Magentbandgeräte der Amerikaner waren die "Magentophone" der deutschen AEG, die nach dem Kriegsende in Washington DC und in San Francisco eingelandet waren.

Und hier lese ich, wer - nach der US-Historie - die Idee mit dem Malteserkreuz gehabt hätte. Bei uns in Germany wird immer wieder Oskar Mester diese "Erfindung" zugeschrieben oder zugeordnet. Das scheint aber so nicht zu stimmen. Ließt man alte Artikel, so war das Prinzip (also die mechanische Funktion) des 4-teiligen Malteserkreuzes bereits lange vorher bekannt. Aber lesen Sie selbst :

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Dezember 1994 - DER PROJEKTOR
EINE GEBRAUCHSANWEISUNG VON NICHOLSON BAKER

Harald Knappitsch legt die schwere Filmrolle ein
im Feuerschutzkasten
amerikanische Filmrollen
im SIMPLEX Projektor

Eine Beschreibung der Kinoprojektion aus Amerika - übersetzt ins Deutsche !

Die Wahrheit über die Projektionstechnik im modernen Kino zu offenbaren, ist nicht gerade ambientefördernd. Die schreckliche Wahrheit lautet, daß der Film nicht mehr über die allen bekannten Film-Spulen läuft. Er wird über große Scheiben (Anmerkung : oder über sehr große Spulen) vorgeführt.
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Das Scheibensystem

Das Scheibensystem, erfunden von einem deutschen Vorführer namens Willi Burth und perfektioniert vor etwa 20 Jahren von der holländischen Firma Norelco (Anmerkung : die amerikanische Tochterfirma von Philips), funktioniert so:

Der Film kommt in fünf oder sechs Rollen in einer rechteckigen Stahlkiste vom Verleih (Anmerkung : So ist das in USA, aber nicht bei uns in Deutschland. Wir hatten die schwarzen Hartpappe-Kartons).

Der Vorführer klebt diese Rollen zusammen, wickelt den Film auf eine von (normalerweise) drei horizontalen Stahlscheiben, von denen jede im Durchmesser etwas mehr als einen Meter mißt.

Wenn der Vorführer einen Film vorbereitet, zieht er den Filmanfang innen aus der Scheibe, fädelt ihn durch das „Gehirn" in der Mitte der Scheibe (mit seinen zusammen-geklumpten Rollen sieht es wirklich zerebral aus), dann um ein paar Führungsrollen, die in der Wand oder an der Decke befestigt sind, und führt ihn in die Greifer des Projektors ein.

Anschließend läuft der Film durch das „Tor" (aus dem er eigentlich projiziert wird), bewegt sich dann durch den Tonkopf (in dem ein Lichtstrahl die optische Tonspur liest), windet sich über weitere Führungsrollen und landet schließlich auf einer der anderen horizontalen Scheiben.

Der Film, der aus der Mitte der Scheibe kommt

Da der Film aus der Mitte der Scheibe kommt und nicht mehr außen beginnt, muß er zwischen den Vorführungen nicht mehr eigens neu aufgespult werden. Und statt des traditionellen Doppels, das sich ablöst, braucht es pro Kino nur mehr einen Projektor.

In Los Angeles und New York gibt es (noch - wir sind in 1994) eine Handvoll Traditionskinos, die ihre Filme immer noch mit zwei Projektoren und über Spulen präsentieren, doch die große Mehrheit der amerikanischen Kinos sind bei den Scheiben angekommen, und zwar schon seit zehn Jahren.

Doch von den „Projektorfilmen" aus diesem Zeitraum, die ich gesehen habe (ich spreche von Filmen, in denen ein, zwei Szenen in einem modernen Vorführraum vorkommen), wagt es lediglich ein einziger, uns auch nur ansatzweise diese drehende Scheibe zu zeigen.

Diese Verstöße gegen den Realismus sind vermutlich eher einer ikonographischen Trägheit als irgendeiner Form von Verschwörung oder einem Vertuschungsversuch der Filmleute geschuldet.

Es geht „denen" ja gar nicht darum, zu verheimlichen, daß die freundliche, hundertjährige Filmspule, die für eine Million Gags gesorgt hat und mehr als jedes andere Bild unsere Vorstellung vom Kino prägt, von einem eigenen dreistufigen Mechanismus abgelöst wurde, der, wenn er optisch auch einiges hermacht und in seiner trägen Hochzeitskuchen Präsentationsform sogar ganz hübsch ist, sich nicht so ohne weiteres begreifen läßt wie sein Vorgänger.

Die Multiplex-Kinos und die Kratzer und Schrammen

Die Hollywood-Produzenten kümmern sich nicht darum, ob wir mitkriegen, daß das Scheibensystem die Mitwirkung des Vorführers eingeschränkt und das Multiplex-Kino finanziell rentabel gemacht hat. (Das Cineplex Odeon mit 18 Kinos in Los Angeles braucht zum Beispiel nur zwei Vorführer auf einmal.)

Es ist ihnen ebenso egal, ob wir wissen, daß das Metall der Scheiben, wie manche Kritiker einwenden, mit der Kopie weniger vorsichtig umgeht, als es die alten Spulgeräte tun.

Die Scheibe ist tödlich für den Film", sagte mir Jan-Christopher Horak, der frühere Chef des Filmarchivs im "George Eastman House" in Rochester (seit dem 1. November leitet er das Münchner Filmmuseum).

Die Kopie muß heute eine 180-Grad-Drehung um die eigene Achse beschreiben, wenn sie die große Schleife in der Luft vollführt, die von der Ausgangsscheibe durch den Projektor und zurück auf die untere Scheibe reicht; sie ist damit einer Belastung durch schraubenförmige Verzerrung ausgesetzt, auf die der Filmstreifen bisher nicht eingerichtet war.

Horak hat auf Filmen, die von Scheiben aus eingespeist werden, merkwürdige Dehnungskratzer gefunden, „nicht vertikale, wie man vielleicht erwarten sollte, sondern horizontale".

Das Scheibensystem ermöglicht außerdem einen Betrieb ohne Beaufsichtigung: Wenn sich vorn am Projektionsfenster ein größerer Schmutzfleck bildet, kann der mehrere hundert Filmmeter zerkratzen, ehe er entfernt wird.
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Der Schwund der Überblendungs-Bilder

Horak spricht auch das Problem der verlorenen Bilder an: Richtet der Vorführer einen Film auf der Scheibe ein, so muß er immer das Startband der aufeinanderfolgenden Akte abschneiden, um die Enden aneinander zu kleben.

Wenn der Film am Ende der Laufzeit wieder zerlegt wird, werden die Klebstellen weggeschnitten und die Startbänder für den Transport wieder angestückelt.

Jedesmal verliert jeder Akt wenigstens ein Bild. Je mehr Kinos den Film bringen, desto kürzer wird er. Dick Twichell - ein kluger und sorgfältiger Vorführer in Loew's Theatre in Rochester mit seinen zwölf Kinos, nicht weit von Horaks Filmarchiv - gibt zu, daß der allgegenwärtige Schmutz inzwischen eine ernstzunehmende Gefahr darstellt.

Der Staub

Wenn ein Multiplex-Kino mit dem sogenannten „Kurzschließen" arbeitet - wenn also eine einzige Kopie gleichzeitig durch zwei oder drei verschiedene Projektoren läuft und auf ebenso viele Leinwände projiziert wird -, kann die Kopie Hunderte von Metern über Führungsrollen laufen, beim Hinweg nah an der Decke, auf dem Rückweg nur Zentimeter über dem Boden, und auf dem gesamten Weg Staub aufsammeln.

Die Metallscheiben, meint Twichell, gehen mit den Kopien weit behutsamer um als früher die Spulen. Die aufnehmende Spule, über eine rutschende Kupplung angetrieben, zerrte den Film über den Zahnkranz am unteren Ende des Projektors und leierte damit die Perforation aus: Eine Kopie hielt nicht mehr als 700 Vorführungen aus, bevor sie ausgedünnt war und leicht zerriß.
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Roland Schütz am Umroller, der nie wieder gebraucht wird

Auf den Scheiben könne ein Film heute beinahe unbegrenzt laufen, ohne daß ein Schaden durch die Mechanik zu befürchten sei. In den Vergnügungsparks bringt es Disney üblicherweise auf 10.000 bis 20.000 Vorführungen; häufig verblaßt der Farbauftrag, noch ehe der Film selbst draufgeht.

Das ständige Zurückspulen, das einem die Scheiben ersparen, war selbst eine Hauptursache für Beschädigungen. Das sogenannte Regnen entstand vermutlich beim Zurückspulen und nicht etwa, als der Film durch den Projektor "gejagt" (Anmerkung : besser = gezogen) wurde.
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Harald Knappitsch an der BAUER B5
Das Kino im Keller
Manfred Romboy erzählt

Die Film-Vorführer

Vorführer waren traditionell Tüftler, Technos, tiefernste Einzelgänger mit schmutzigen Fingernägeln; es ging gar nicht anders, sie mußten (und manche müssen es noch immer) inmitten von Schmierfett, Ölkanistern, schmutzigen Lappen, ausgetauschten Teilen und (bevor sich in den sechziger Jahren die Xenon-Lampen durchsetzten) stapelweise abgebrannten Graphitstäben aus den Kohlebogen-Lampen arbeiten, die jeweils nur eine halbe Stunde durchhielten.

Chuck McCann verkörpert in einem Film von 1970 mit dem Titel "The Projectionist" (in gewisser Weise ein Remake des Buster-Keaton-Films "Sherlock Junior" von 1924; jenem Film über einen Vorführer, der, als er auf einem Hocker neben einem seiner Projektoren einnickt, davon träumt, er würde in einen der Filme, die er zeigt, hineinspazieren) glaubwürdig den kräftigen, kettenrauchenden Helden, wird wütend auf Rodney Dangerfield (den Manager) und knallt eine Filmspule auf den Rückspuler, zieht heftig und erreicht den nötigen Druck, indem er seine Handfläche auf der Spule beläßt.

Je brutaler der durchschnittliche Vorführer den Film behandeln mußte - zurückspulen, einfädeln, kleben -, desto zerkratzter wurde die Kopie.
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Zensur (oder "Eigenbedarf")

"The Projectionist" zeigt ebenso wie "Cinema Paradiso" (1989) viele komische Ausschnitte aus alten Filmen. Letzterer ist ein schauerlich sentimentales Werk aus Italien, das immerhin insofern präzise ist, als es den jeweiligen Vorführer und nicht etwa einen Regisseur oder Studio-Chef als die Person zeigt, die über den Endschnitt bestimmt.

In "Cinema Paradiso" kontrolliert der Priester die Filme vorab und läutet jedesmal eine Glocke, wenn sich auf der Leinwand zwei Leute küssen, worauf der Vorführer gehorsam die entsprechende Stelle auf der Spule mit einem Papierstreifen markiert, damit er den Kuß anschließend entfernen kann.

Die Wahrheit, jedenfalls in den Vereinigten Staaten, geht eher dahin, daß die Vorführer heimlich selbst den Schnitt besorgten und auf eigene Rechnung und ohne Einwirkung des jeweiligen Zensors Filmclips sammelten: Sie schnitten einfach ein paar Zentimeter oder auch nur ein paar Bilder der Sequenz heraus, die ihnen gefiel.

Normalerweise sammelten sie „Filmlieblinge oder vor allem Szenen oder Einstellungen, die weibliche Anatomie zeigten", wie mir Horak erzählte.

Die Zahnbürste (zum Reinigen der Filmbahnen)

Trotz der Automatisierung erfordert die Betreuung eines Projektors einiges an Wartung. Am Anfang des Films Der Innere Kreis (1992) zupft Tom Hulce, der Stalins Vorführer spielt, etwas aus seiner Hemdtasche. „Womit fummelst du da im Projektor herum?" fragt ein alarmierter KGB-Beamter.

„Zahnbürste", sagt Hulce trocken. „Äußerst praktisch zum Putzen. Ich hab immer eine dabei." Der KGB-Mann schnüffelt daran. „Der alte Vorführer hatte keine Zahnbürste", sagt er beeindruckt.

Vor kurzem, nach der letzten Abendvorstellung von "Was vom Tage übrig blieb", sah ich, wie Stephan Shelley, der Chef-Vorführer im Grand Lake Theatre in Oakland, Kalifornien, die Innereien eines seiner acht Projektoren mit einer blaßblauen Colgate-Zahnbürste säuberte.

Shelley putzt die Hebel und Schalter seiner Century-Projektoren jeden Vormittag; außerdem verwendet er täglich Reinigungsalkohol und Q-Tips; und nicht zuletzt hat er ein wachsames Auge auf den Strich im Ölbad bei der alles entscheidenden Filmfortschaltung.

(70-mm-Filme, sagt er, haben statt einer optischen eine magnetische Tonspur, und davon wird der Projektor besonders schmutzig, weil sich in der Maschine Eisenteile vom Magnetband lösen.)

Gelegentlich hört man von Vorführern, die weniger kundig als Shelley sind, der, als er einmal kein Ol mehr für seine Projektoren finden konnte, in seiner Verzweiflung Popcorn-Butter in die Maschinen schüttete, damit sie nicht stehenblieben. Mit einer solchen Aktion verwirkt man allerdings die Garantie.
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Die Xenon-Lampe

Neben den Scheiben ist die bereits erwähnte Xenon-Kurzbogen-Lampe die wichtigste Neuentwicklung im Projektionsraum. Es handelt sich dabei um ein 2.000 Watt starkes, 30 Zentimeter langes, 1.000 Dollar teures Ding, das einem Film Licht gibt, indem es 80 Ampere Gleichstrom durch eine Quarzhülle mit 10 atü an reizbares Xenon jagt. Durch einen winzigen grünen Spalt im Lampenhaus kann man hineinblinzeln und beobachten, wie es wegstrahlt und von rastlosen Fächern gekühlt wird.

Auch hier gab es aufgeregte Ablehnung, als die Birne eingeführt wurde: Aufgeladenes Xenon sorgt für ein wesentlich härteres Licht als die glühenden Kohlenstoffstücke in den alten Lampen. Außerdem gehen die Birnen gelegentlich „brutal kaputt" (das heißt, sie explodieren) und beschädigen den Spiegel im Lampenhaus.

Andererseits verströmte jene alte (Lichtbogen-) Lampe giftige Dämpfe, und sie war kapriziös: An windigen Tagen, wenn die Ventilatoren besser zogen, der Kohlenstoff deshalb heller brannte, waren die Filme strahlender.

Die Erfinder der Fortbewegung des perforierten Films

Der Filmprojektor, nicht etwa die Filmkamera, machte den ersten
Filmpionieren Schwierigkeiten, denn der Projektor muß jedes Bild länger festhalten, gleichzeitig aber schneller zum nächsten vorschalten, als es die Kamera bei der Filmbelichtung tut.

Die ursprüngliche Erfindung, ein Gerät mit bezahnten Greifern, die sich in einen biegsamen, perforierten Streifen mit aufeinanderfolgenden Bildern beißen, darf Louis Aime Augustin Le Prince zugeschrieben werden, einem Keramiker und Glasierer, der in Leeds tätig war.

Le Prince ließ das Patent 1886 eintragen, verschwand aber vier Jahre später spurlos, nur wenige Tage, ehe er mit einem verpackten Modell seines „Vorführers" in die USA aufbrechen sollte. Daß ihn Thomas Edisons Anwälte hätten umbringen lassen, wie manche vermuten, ist nicht erwiesen.

Edison, allzeit geschickt in der Aneignung der Arbeit anderer, erhob den Anspruch, alleiniger Erfinder des „Vitascope" zu sein, doch erschöpfte sich sein Anteil und der seines Projektor-Entwicklungsteams eigentlich schon darin, daß sie den Namen Edison auf eine Maschine klebten, die eigentlich Thomas Armat gebaut hatte, ein Erfinder aus Washington, der die Ideen von Le Prince verarbeitet hatte.

Es war Armats Hand, die am 23. April 1896 die historische Kurbel betätigte, als die staunenden Journalisten vor der Leinwand der "Koster & Bials Music Hall" an der West Thirty-fourth Street mit der „perfekten Wiedergabe berühmter weiblicher Figuren in akkuraten Bewegungen" verwöhnt wurden.

Dann kamen weitere Erfinder, Klempner, aber auch Künstler

Die ersten Vorführer in der Nachfolge Armats waren Erfinder und Klempner, aber auch Künstler; sie konnten die emotionale Stimmungslage eines Films interpretieren, indem sie die Geschwindigkeit des Films variierten.

Selbst nachdem ein Elektromotor ihnen die körperliche Arbeit erleichtert hatte, statteten die Stummfilmstudios ihre Kopien oft mit einer Liste aus, auf der die Wechsel in der Geschwindigkeit verzeichnet waren, die wiederum beim Betrachten von Filmen wie "The Birth of a Nation" entscheidend sein konnten.

Stummfilme können heute deshalb so lächerlich wirken, weil sie häufig mit der statischen Geschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde vorgeführt werden, die Ende der zwanziger Jahre für Projektoren und gleichzeitig mit der Tonspur eingeführt wurde (das Ohr verkraftet Tempowechsel weniger leicht als das Auge), während vorher die Geschwindigkeit variierte und sich eher bei 16 Bildern in der Sekunde bewegte.
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Die amerikanischen Projektoren mit dem Namen "SIMPLEX"

Abgesehen von diesen bedeutsamen Veränderungen - die Fixierung der Filmgeschwindigkeit, Ton, Technicolor, die Ersetzung des Films auf Nitratbasis durch einen feuerabweisenden Sicherheitsfilm, Xenon-Lampen, das Scheibengericht -, ist das eigentlich Erstaunliche an der Entwicklung des Projektors in den vergangenen hundert Jahren, daß ein Simplex-Gerät von 1994 dem ursprünglichen Armat/Le Prince-Modell in seinen Grundbestandteilen so ähnlich geblieben ist.

  • Anmerkung : Was bei uns in Europa die Ernemann und BAUER Projektoren waren, waren in USA die SIMPLEX Modelle. Deren Projektoren waren auch in allen Military- US-Kinos nach 1945 weltweit eingesetzt sowie in den Kinos auf den US- Flugzeugträgern und den großen US-Kriegsschiffen.

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Das "Genfer Triebwerk" heißt Malteserkreuz

Der Film wird immer noch von Zahnrädern mit 16 Zähnen transportiert, und die alles entscheidende Fortschaltung - der Zahnkranz, der den Film tatsächlich anhält und weiterbewegt - wird noch immer, wie schon in der "Koster & Bials Music Hall", von einem wunderbaren Präzisionsgerät bewirkt, das Genfer Triebwerk heißt.

Es wurde einst von Schweizer Uhrmachern entwickelt, um zu vermeiden, daß Federn überbeansprucht werden. Das Genfer Triebwerk besteht aus zwei Hauptteilen: einem Malteserkreuz und einer eher gewöhnlichen Nocke, die sich jeweils halbhoch in Öl getränkt drehen.

Der Stift an der sich ständig drehenden Nocke gleitet in einen Schlitz im Malteserkreuz und veranlaßt es zu einer Vierteldrehung nach vorn, worauf es stehenbleibt, weil es durch den gerundeten Rand der Nocke blockiert wird.

Wenn der Stern anhält, wird die Kinoleinwand für ein paar Hundertstelsekunden von einem einzelnen unbeweglichen Bild erfüllt; wenn sich der Stern dreht, bewegt sich der Film im Dunkel der Blende weiter. Der Kopf des Zuschauers, überlistet von der Stilleben-Folge, nimmt gehorsam eine Bewegung wahr.
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Was ist ein "Malteserkeuz" ?

Weißt du, was ein Malteserkeuz ist?" fragt ein umherziehender Projektor-Klempner gegen Ende von Wim Wenders' überlangem filmfleuve "Im Lauf der Zeit" einen ahnungslosen Vorführer. Der Vorführer kann nur raten: etwas zum Saufen?

Traurig schüttelt der Projektor-Klempner den Kopf und versucht es ihm zu erklären: „Ohne dieses kleine Ding gäb's die ganze Filmindustrie nicht!" sagt er. Der Vorführer ist nicht beeindruckt und (weil "Im Lauf der Zeit" ein nur teilweise verständlicher Kunstfilm ist) atmet beiläufig die Flamme seines Feuerzeugs ein, um die Szene abzuschließen.

Doch die Funktionsweise des echten Film-Stern-Systems, auch wenn sie sich erst nach einigem Grübeln erschließt, ist eine Überlegung wert:

Kaum je hat ein so schlichter Mechanismus, der sich unerwartet als Wahrzeichen erweist, ohne alle Veränderung im Mittelpunkt einer grausamen Industrie sich halten können, die ansonsten ununterbrochen technische, künstlerische und finanzielle Stürme über sich ergehen lassen mußte.
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Über die amerikanischen Filmprojektoren und Hersteller

Der Simplex-Projektor, der vielen als der beste gilt, wird in Omaha von einer Firma namens "Ballantyne" hergestellt, die außerdem Punktscheinwerfer und High-Tech-Hühnergrillgeräte fertigt. Das Malteserkreuz im Simplex-Projektor wird allerdings in Glendale Heights, Illinois, gefertigt, und zwar in einem Betrieb namens "LaVezzi Precision", der von dem 52jährigen AI LaVezzi geleitet wird.

Sein Großvater Edward LaVezzi begründete das Unternehmen in den Jahren des Ersten Weltkriegs, indem er die stumpf gewordenen Zähne am Zahnkranz von Projektoren abfeilte und neue aus Messing draufschweißte.

Heute verfügt LaVezzi über ein freundlich ausgeübtes Monopol und fertigt Zahnkränze und Filmfortschaltungen für Simplex-, Century- und Ballantyne- Projektoren, für mehrere Firmen in Europa und Asien sowie für Projektoren von Christie, die im kalifornischen Cypress hergestellt werden.

Die Firma "LaVezzi Precision"

Für Christie hat LaVezzi eine versiegelte, bandbetriebene Filmfortschaltung entwickelt, die verführerisch „Ultraschaltung" heißt und nie geölt werden muß. LaVezzi Precision ist außerdem für den legendären VKF-Zahnkranz verantwortlich - den „very kind to film" -Zahnkranz -, dessen Zähne mittels vierachsiger, computergesteuerter Bearbeitungszentren besonders aufmerksam geglättet werden.

Die Herstellung des VKF-Zahnkranzes ist allerdings laut LaVezzi „hirnlos", verglichen mit der des Malteserkreuzes, bei dem sich bereits Fehler von Tausendsteln eines Zentimeters auswirken. „Der Schlitz in einem Stern muß perfekt sein", sagt er und beginnt das „perfekt" mit einem inspirierenden, extra explosiven Laut.

Was kommt nach dem Malteserkreuz ?

Werden fortschaltende Zahnkränze und die Projektoren, in denen sie arbeiten, der Welt erhalten bleiben?

Werden künftige Generationen von Kinogängern wissen, wie sehr der Klang eines Projektors dem Leerlauf eines VW-Käfers ähnelt?

Werden sie, wenn sie die wunderbare Szene in Charlie Chaplins Moderne Zeiten sehen, auch merken, daß Chaplin, obwohl er angeblich in die Eingeweide einer riesigen „Electro Steel Corp."-Maschine hineingezogen wird, in Wirklichkeit ein Stück biegsamen Films spielt und sich in die Zähne eines Filmprojektors einfädelt?

Ich habe mir in letzter Zeit ziemlich viele Projektor-Filme angesehen (darunter auch einen mit dem Titel "Die kleinste Schau der Welt", in dem Peter Seilers einen alten Vorführer spielt, der einen Western unterbricht, als er sich in seiner Kammer betrinkt), aber ich habe sie alle auf Video gesehen.

Beim Studium der letzten Szene von "Susan - verzweifelt gesucht" (Aidan Quinn küßt Rosanna Arquette, die an einem Simplex-Projektor lehnt, der einen SF-Film über mutierte Angreifer spielt - mit ihrem Rücken arretiert Rosanna den geflügelten Schlitten der Filmspule, und das Filmbild schmilzt auf der Leinwand) stoppte ich, spulte zurück, spulte vor, spulte und spulte so oft, bis das schwarze Plastikgehäuse des Leihvideos einen ungewöhnlich starken, angenehmen Geruch von winzigen Videorekordermotoren und erhitzten Leiterplatten verströmte und ich die Kassette, nachdem ich die bildschmelzende Umarmung der Liebenden mit einer Hingabe untersucht hatte, wie sie in keinem Fall vorgesehen war, schließlich auswerfen ließ.
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Das Datenvolumen eines einzelnen 35mm Filmbildes

Jedes einzelne 35mm Rechteck eines Farbfilms enthält das Äquivalent von gut 40 Megabyte an digitaler Information (Anmerkung : natürlich unkomprimiert): der Inhalt einer (ehemals in 1994) ganzen kleinen Festplatte, und zwar auf jedem einzelnen Filmbild.

Projektoren und die beständig drehenden Malteserkreuze in ihrem Inneren wird es vielleicht immer noch geben, wenn in nochmal 30 Jahren ein dritter, wunderbar neu entwickelter „Blob" in den Projektionsbereich eines kleinen Achterkinos schwitzt und für Unruhe sorgt. Und vielleicht bringen die Filmemacher dann auch den Mut auf, uns ein paar Scheiben zu zeigen.

Deutsch von Willi Winkler im Herbst 1994
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  • Malteserkreuze wurden schon lange vor der Filmprojektion genutzt, z.B. als Schrittwerke in Erntemaschinen (Mc. Cormick Corp. Chicago).
  • Wichtig ist, dass Oskar Messter nicht der Erfinder des Malteserkreuzgetriebes ist, wie oft behauptet wird. Er hatte angeblich den ersten Filmprojektor mit einem solchen Getriebe entwickelt.

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Hier fehlte eine Erklärung, der Film "BLOB"

Wie war das mit dem "BLOB" Film aus 1958 ?

Die schönste Szene in "Blob - Schrecken ohne Namen" (1958) spielt in einem Kleinstadtkino, in dem ein Film namens „Tochter des Horrors" läuft.

Während der Vorführer, das ist lange vor dem Medientheoretiker Marshall McLuhan, in seinem Buch liest, quetscht sich der Blob - ein riesiger protoplasmischer Duschsack - mit seiner hitzegierigen, giftigen Zähflüssigkeit durch die zehn winzigen Rillen eines Ventilationslochs.

Hinter der laufenden Filmspule sehen wir den todgeweihten Vorführer, der durch die Mauerscharte auf die Leinwand schaut, um sich auf den Rollenwechsel vorzubereiten - den übergangslosen Wechsel vom laufenden Projektor, dessen 20-Minuten-Spule fast abgelaufen ist, auf den zweiten, der unbewegt dasteht, auf dem aber bereits der nächste Akt eingefädelt ist und nur auf den Start wartet.

Der Vorführer merkt, daß da irgendwas hinter ihm ist; er dreht sich um, sieht verrührten Protoplasma-Brei in Augenhöhe - dann hat es ihn schon. Der alleingelassene Projektor spult über die Markierung für das Umschalten hinaus, der Film läuft durch.

Die verärgerten Zuschauer drehen sich um und sehen den Blob, wie er an der Rückwand des Kinos triumphierend aus allen vier kleinen Löchern quillt - den beiden Sichtfenstern und den beiden Fenstern für die Projektoren.

Das Remake "Der Blob" gab es 1988

Chuck Russeis Remake "Der Blob" (1988) aktualisiert jedes oder fast jedes Detail des ersten Films. Der Film im Film heißt jetzt „Gartengerät-massaker". „Ist es nicht furchtbar spät, um noch die Hecken zu stutzen?" murmelt ein Betreuer im Ferienlager, der, während er versucht, mit seiner Freundin ein wenig zu fummeln, einen maskierten Unbekannten sieht, der sich im Dunkeln am Gebüsch zu schaffen macht. ,Augenblick mal", sagt er dann, mißtrauisch geworden. „Die Hockey-Saison ist doch schon seit Monaten vorbei."

Schnitt auf den Vorführraum, wo Hobbs, der gelangweilte Vorführer (dessen Leben sich allerdings als „einsam, armselig, eklig, brutal und kurz" erweisen wird), den Kopf hinter der laufenden Filmspule, in einem Magazin blättert und mit der linken Hand an einemJo-Jo spielt.

Der Blob der zweiten Generation, bei weitem aufregender und unternehmungslustiger als sein Vorfahr, kotzt sich rasch in die Ableitung der Klimaanlage und pappt den unglücklichen Hobbs an die Decke. Wenige Sekunden später entdeckt der Manager, der nachschauen kommt, seinen Kollegen, ein Ralph-Steadman-Grinsen im Gesicht, halbverdaut in einem Alptraum aus Tempotaschentüchern und verfärbter Maisstärke.

Das Jo-Jo an seinen zuckenden Fingern ruckt noch immer auf und nieder. Wozu aber das Jo-Jo? könnte sich jedenfalls ein Student der Filmtechnologie fragen. Handelt es sich um ein überflüssiges Requisit, oder will es uns etwas sagen?

Ich vermute, das Jo-Jo ist eine Anspielung auf das klassische Prinzip der Filmspule, die ihren Akt immer wieder auf- und abspult.

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